Wohnen: Platz zum Bleiben gesucht
Neue Bauwagen-Gruppe Zomia besetzte freie Grünfläche in Wilhelmsburg. Bezirk-Mitte stellte Strafanzeige. GAL-Politikerin Antje Möller will sich für eine Lösung einsetzen.
Sie kamen mit Kuchen für die Nachbarn und in freundlicher Absicht, konnten aber nur wenige Stunden bleiben. Eine Gruppe von etwa 20 Bauwagenbewohnern hat sich unter dem Namen "Zomia" zusammengeschlossen und sich am Samstagfrüh auf einer freien Grünfläche an der Buschweide nahe der Wilhelmsburger Dove Elbe niedergelassen.
"Wir sind eine Gruppe von Leuten, die schon länger vereinzelt in Bauwagen, LKWs oder umgebauten Zirkuswagen lebt", erklärt Simon vom Info-Telefon der Gruppe. Derzeit stünden die Wagen an Bordsteinkanten oder auf Höfen im Umland, teilweise aber auch schon an Wilhelmsburger Straßenrändern. Man wolle nun nicht mehr vereinzelt, sondern als Gruppe zusammen leben. "Der Ort an der Buschweide wäre perfekt geeignet."
Doch kaum fuhren die sechs Wagen vor, rief bereits um kurz nach neun Uhr ein Anwohner die Polizei. Der per Telefon zugeschaltete Mitte-Bezirkschef Markus Schreiber (SPD) stellte Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs.
"Der Bezirk Mitte ist für eine harte Linie bei solchen Aktionen bekannt", sagt der Aktivist der Roten Flora, Andreas Blechschmidt, der gemeinsam mit GAL-Politikerin Antje Möller vor Ort war, um zu vermitteln. Es gelang der grünen Politikerin, eine Eskalation zu vermeiden und einen vorläufigen Kompromiss zu finden. Die Bauwagen durften auf ein städtisches Grundstück beim Projekt "Kunstnomadin" an der Veringstraße 146b weiterziehen, wo sie bis Dienstag bleiben dürfen. Die Polizeiverzichtete darauf, die Personalien aufzunehmen. Zudem wurde für Montag ein Gespräch mit der Stadtentwicklungsbehörde vereinbart.
Antje Möller hofft, dass sich eine Lösung finden wird. "In einer Großstadt muss Platz für alle Lebensformen sein, auch für Bauwagen", sagt sie zur taz. "Der Winter kommt, und dass die Bauwagenbewohner den nicht am Straßenrand verbringen können, dürfte klar sein." Der Platz an der Buschweide sei aber nicht geeignet, da er Teil eines ökologischen Ausgleichgebiets ist.
Die Sache ist ein Politikum. Gemeinsame Linie von Schwarz-Grün ist, die bestehenden fünf Bauwagenplätze, die rechtlich abgesichert sind, zu belassen. Doch die GAL kann sich vorstellen, auch weitere Plätze einzurichten. "Es wurde lange nicht über das Thema gesprochen, aber wir haben eine neue Situation: Es scheint da Bedarf zu geben", sagt Möller. "Ich befürchte aber, dass dies politisch strittig diskutiert werden wird.
Der Bezirk Mitte habe am Wochenende offensichtlich "nicht im Ansatz den Willen gezeigt, sich politisch mit der Situation auseinanderzusetzen", kritisiert Blechschmidt. Er hoffe aber, dass sich am Montag "neue Möglichkeiten" ergeben.
Es gibt Stimmen, die einen Bauwagenplatz in Wilhelmsburg unter stadtplanerischen Gesichtspunkten attraktiv finden. Sogar Polizeibeamte am Einsatzsatzort lobten die Idee, damit würde der Stadtteil "bunter werden".
Leser*innenkommentare
Jan Bieback
Gast
Lange war es ruhig um die Bauwagenplätze und ganze zwei Jahre Ruhe war auch den Grünen vergönnt, nun wird es aber wirklich Zeit für sie zu zeigen, dass diese Koalition noch irgend einen Sinn für ein wirklich lebendigeres Hamburg hat.
Fraglich für mich vor allem: Warum berichtet die taz nord nicht weiter, während das Abendblatt ständig aktuelle Meldungen bringt?
Sich einerseits mit der "Plattform für Veränderung" profilieren aber die lokalen Veränderungen nicht zu unterstützen finde ich deprimierend.
Solche Initiativen wie zomia hängen fundamental davon ab, dass ein öffentliches Interesse entsteht!
Klaus Lübke
Gast
Die Selbstdarstellung der Protagonisten führt in Ihrem Artikel zu einem falschen Eindruck: Das die Bauwagen vorläufig an der Veringstrasse untergekommen sind, lag nicht an der "Vermittlung" von Frau Möller, sondern an der Einladung der Künstlerin, die diese Fläche gepachtet hat.
Unerwähnt blieb auch, das die Vertreter des Arbeitskreises Georgswerder und der benachbarten Hövelsiedler und der Kleingärtner die Räumung der zunächst besetzten Fläche verlangt haben. Nur eine Nachbarin der Fläche hatte sich positiv geäußert.
Felix Schmidt
Gast
Es liegt also ein Strafantrag vor und trotzdem verzichtet die Polizei darauf, die Personalien aufzunehmen?
Die nächste Strafanzeige sollte den Polizisten gelten. "Strafvereitlung im Amt" ist kein Kavalierdelikt. Auch nocht wenn die Straftäter von einer Abgeordneten der GAL als Regierungspartei begleitet werden. Da hätte die Polizei nicht einknicken dürfen. Aber Hartz IV ist nach einer Verurteilung eine gute Alternative zu einem sicheren Beamtenjob.