Wohnen im Erinnerungsort

UMBAU Zwei Bremer Architekten gestalten Bunker zu Wohnungen. Nach dem Umbau sind die Objekte beliebt, weil sie individuell und trendy sind. Darüber, dass sie Relikte der Nazi-Zeit sind, denkt kaum jemand nach

Man hat eingesehen, dass Bunker in einem nächsten Krieg nicht viel nützen würden

VON JEAN-PHILIPP BAECK

Wenn der Architekt Rainer Mielke durch seinen Bunker führt, kommt er ins Schwärmen. In Bremen war er der Erste, der einen dieser Betonklötze zu einer Wohnung umbaute. Mitte der 90er-Jahre war das, da musste er noch Überzeugungsarbeit leisten. Heute reißen sich die Leute um die Objekte, die oft in innenstadtnahen Wohnlagen stehen. Zusammen mit seinem Büropartner Claus Freudenberg hat Mielke sich auf den Umbau von Bunkern spezialisiert.

„Dong“. Mit einem dumpfen Ton schlägt die Stahltür an den Rahmen. Die Wände sind weiß gekalkt, Stahlrohre ragen in die Mauern, der Raum ist leer, kühl und fensterlos. Seinen Wohnbunker hat Mielke schon vielen gezeigt – vom untersten Stockwerk, das Mielke überwiegend so belassen hat, wie es war, geht’s nach oben. Im Treppenhaus erinnern die glatten Flächen des aufgeschnittenen Betons neben dem hölzernen Geländer eher an ein Museum für moderne Kunst.

In der Wohnung im ersten Stock eröffnet ein lang gezogenes Fenster den Blick ins Grüne. Die Räume sind nur durch Schiebetüren getrennt, ein Panoramafenster im Wohnbereich verhindert jedes Enge-Gefühl. „Das Wichtigste ist, dass es nicht mehr aussieht wie ein Bunker“, sagt er.

Die beiden Architekten mussten erst lernen, mit dem Material umzugehen: „Das Wichtigste ist es, Löcher reinzusägen.“ Beton aber härtet noch bis zu 30 Jahre lang aus. Für seine erste Fensteröffnung hätten drei Bauarbeiter wochenlang mit dem Presslufthammer geackert, erzählt Mielke. Heute hat er dafür eine Technik: Der Beton wird geschnitten, indem ein diamantbesetztes Seil durch Bohrlöcher in der Wand gezogen wird.

Die Bauten komplett abzureißen war lange problematisch, denn eine Sprengung hätte die Nachbarhäuser gefährdet. Dennoch kam man spät darauf, die Betonklötze umzubauen. „Individualität“ sei es, was die Leute an solchen Bunkerwohnungen interessiere, sagt Mielke.

Von 127 Bunkern in Bremen werden mittlerweile nur noch 15 von der Stadt verwaltet. Bis dato waren viele von ihnen noch für den Zivilschutz eingeplant. Im Kalten Krieg wurden sie aufgerüstet, mit Luftschleusen, Duschen an den Eingängen und ABC-Filtern, die vor Atom- und Chemiewaffenangriffen schützen sollten. Heute hat man eingesehen, dass Bunker in einem neuen Krieg sinnlos wären.

Außerdem ist die Wartung teuer: Zwar gehören die Gebäude dem Bund, aber die Länder verwalten sie; Bremen will jetzt auch die letzten verkaufen. Ähnlich sieht es in Hamburg aus, wo noch etwa 700 Schutzräume übrig sind, meist unterirdisch. Meist liegen sie in Wohngebieten. „Sie sollten die Arbeiter schützen, die für die Rüstungsproduktion wichtig waren“, sagt der Historiker Marc Buggeln. 1940 begannen die Nazis mit dem Bunkerbau, und zumindest für Bremen kann Buggeln belegen, dass die Bunker zum größten Teil von Zwangsarbeitern gebaut wurden. „Die duften da dann aber meist nicht hinein“, so Buggeln.

Dass die Gebäude für die Verbrechen des Nationalsozialismus stehen, ist für die meisten Leute, die heute darin wohnen, kein Thema. Auch Mielke hat sich erst nach Jahren mit deren Geschichte beschäftigt. „Mein erster Ansatz war rein architektonisch“, sagt er.

Ältere Leute dagegen wollten die Bunker nicht betreten, weil es sie an den Krieg erinnere. „Man muss die Bunker wieder mit Leben füllen“, sagt Mielke. Deshalb hat er bei seinen Umbauten nur die Innenräume mit Gips-Karton-Wänden eingeschalt. Außen belässt er die Bunker, wie sie sind. „Ein bisschen sind sie auch Erinnerungsorte.“