Wohlstandsgefälle: Der ungleiche Reichtum
Ein Zehntel der Deutschen verfügt über 60 Prozent des Gesamtvermögens von 5,4 Billionen Euro. Die meisten Deutschen aber leben von der Hand in den Mund.
5,4 Billionen Euro. So groß ist das Vermögen, das die Menschen in Deutschland besitzen. Das Problem ist aber: Nur die wenigsten BundesbürgerInnen haben davon etwas.
Laut einer am Mittwoch veröffentlichten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) verfügen zwei Drittel der Menschen ab 17 Jahren über kein oder nur ein sehr geringes Vermögen. Fast ihr gesamtes Einkommen geben sie für den Konsum oder die Tilgung ihrer Schulden aus. Das reichste Zehntel besitzt dagegen rund 60 Prozent des Vermögens (siehe Grafik).
Die Ergebnisse zeigten, "dass viele Menschen in Deutschland quasi von der Hand in den Mund leben", sagte Markus Grabka, Autor der Studie.
Für die Untersuchung wurden Ersparnisse nach Abzug von Schulden, Wohneigentum, Rentenansprüche, Versicherungen, aber auch Kunstwerke, Münzen oder Briefmarken berücksichtigt. Grundlage ist das Jahr 2002, an der ungleichen Verteilung des Vermögens dürfte sich nach Ansicht der Autoren bis heute aber nichts geändert haben.
Die DIW-Studie bestätigt somit einen Trend, den auch der letzte Armutsbericht der Bundesregierung aufgezeigt hat: Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer deutlicher. Die Studie zeigt auch, in welchen Gruppen die Habenichtse in Deutschland zu finden sind. Denn während der Durchschnittsdeutsche rund 15.000 Euro Euro an Vermögen hat, sind es beim Durchschnittsostdeutschen nur 7.500 Euro und beim Durchschnittsmigranten sogar nur 500 Euro. Bei Migranten konzentriert sich insbesondere das Betriebsvermögen auf wenige Köpfe, sprich: Nur wenige haben ein eigenes Unternehmen oder Anteile an einem Unternehmen. Wäre das Vermögen gleich verteilt, besäße jeder Deutsche 81.000 Euro.
Benachteiligt sind auch die Frauen: Das Vermögen der Männer liegt im Mittelwert mehr als 40 Prozent über dem der Frauen. Besonders deutlich sei dieser Unterschied bei Verheirateten, so Grabka.
Weil die Wohlhabenden ihr Geld auch schneller vermehren, hat die Ungleichheit laut DIW in den vergangenen Jahren weiter zugenommen: Der Kapitalanteil am gesamten Volkseinkommen - also der Anteil von Einkommen aus Unternehmen und Vermögen - ist demnach zwischen 1996 und 2006 um 4 Prozentpunkte auf rund 34 Prozent gestiegen, während die Löhne stagnierten.
Angesichts der Ergebnisse hält das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung die Erbschaftsteuerreform, auf die sich die große Koalition zu Beginn der Woche geeinigt hat, für einen Schritt in die falsche Richtung. "Das wird die Kluft zwischen Reich und Arm weiter verschärfen", sagte Grabka der taz und forderte eine Revision. SPD und Union hatten am Montag beschlossen, bei Erbschaften die Freibeträge für Ehegatten, Kinder und Enkel zu erhöhen. Das hat zur Folge, dass weniger Menschen künftig Steuern auf ihr Erbe zahlen als heute. Auch Erben von Firmen werden begünstigt. "Das ist genau das falsche Signal", sagte Grabka. Im internationalen Vergleich seien die Steuersätze bei Erbschaften und Schenkungen bereits heute sehr gering und die Einnahmen machten weniger als 1 Prozent des gesamten Steueraufkommens aus.
Claus Schäfer, Ökonom beim gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut, zieht aus der Ungleichverteilung eine weitere Forderung: Die Vermögensteuer sollte wieder eingeführt werden. Diese wurde vor zehn Jahren wegen eines Urteils des Verfassungsgerichts ausgesetzt. "Wir brauchen eine Umverteilung von oben nach unten", sagte Schäfer der taz. DIW-Forscher Grabka spricht sich gegen eine Vermögensteuer aus. "Das führt zu Vermeidungsstrategien", sagte er. Zu deutsch: Besteuert man das Vermögen der Vermögenden, bringen sie ihr Vermögen einfach ins Ausland.
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