: Wohlklang und Widerspinst
■ Das belgische Quintett dEUS entzieht sich kratzbürstig den gängigen Kategorien
Mit der Schwierigkeit konfrontiert, eine verbale Annäherung an Musik zu finden, die sich innerhalb umgegrabener Terrains abspielt und nicht offensichtlich gegen Regeln verstößt, muß dEUS Dankbarkeit für ihre Herkunft gezollt werden. Ja, sie kommen aus Belgien, jenem schwer zu fassenden Land, das sich nur aus der Kombination seiner Nachbarn zu konturieren scheint.
Wer will, kann das dEUS-Puzzle so zusammenbauen: etwas deutsche Schwerblütigkeit, jene gelegentlich ins kitschige tendierende französische (Wave)-Melodik und viel niederländisches, unverkrampft fließendes Kreuzüber. Viel Luft, viel Sinn für Komposition und Dramatik, wenig eitles Gestelze, kleine Explosionen, kaum Kratzen, Gegeneinanderstemmen und Sich-Versöhnen. Ihre Debut-Veröffentlichung Worst Case Szenario vermittelt den Eindruck einer angeregten Unterhaltung guter Freunde, die einander zuhören, statt sich zu instrumentalisieren. Disharmonie ist dabei menschlicherweise latent zu spüren, oft in Form der ziehend-drängenden Violinen oder des bedrohlich schwellenden Gitarrenbetts. Doch auch das keineswegs austauschbare Gemurmel der Rhythmussektion trägt zum hohen Niveau bei.
Daß sich die Musik des Quintetts trotz aller akustischen Präsenz und Dynamik zu entziehen scheint, liegt im ständigen Kommen und Gehen der Klangquellen begründet. Kein Instrument beharrt auf steter Präsenz oder nur auf gleichem Klang, und es ist eher die Stille als Kakophonie zu der die Belgier streben . In dEUS-Town gibt ein hohes Maß an Gleichzeitigkeit von „suck“ und „cool“, Schönheit und Schmerz, Wohlklang und Widerspinst.
Was dEUS, mit kleinem „D“ geschrieben und daher kein Gott, sondern „gute Begleitung“ meinend, zweifellos spüren und was ihre Arbeit besser macht als die anderer, ist jene selten erkannte Freiheit, daß nichts so sein muß wie es nun mal ist. Solcherlei umgesetzt entsteht Progression, eigen und lebendig. Und trotz aller Masse an täglich neu kombinierter Musik erkennt man das auf Anhieb.
Holger in–t Veld
Freitag, 24. Februar, Logo, 21 Uhr
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