Wohliger Kapitalismus: Hauptsache flüssig
Wellness ist keineswegs eine entspannte Gegenwelt zum Business: Vielmehr drückt sie den Geist des Kapitaismus aus und idealisiert das Flüssigsein.
Von der Finanzkrise auf Trab gehalten oder gar existenziell bedroht, dürften sich manche Banker, Manager und Business-People in den vergangenen Wochen nach ein bisschen Wellness gesehnt haben. Eine Sauna, Aromatherapie oder Akupunkturmassagen, vor allem aber Entspannungs- und Meditationstechniken verheißen mehr als vieles andere eine Gegenwelt zu all dem Stress, ja locken als Remedium gegen Erschöpfung.
Aber auch sonst, wenn gerade keine globalen Krisen auftreten, findet sich Wellnesswerbung am ehesten in Magazinen und Zeitungen, die sich an die Leute aus der Wirtschaft richten. Klar haben sie das Geld für kostspielige Anwendungen, aber sie scheinen diese auch am dringendsten zu brauchen. Verlangt ihr aufreibendes Arbeitsleben, das der Logik des "immer mehr" folgt, nicht nach einer Kompensation?
Doch das ist zu einfach gedacht. Wäre das, was etwa ein Wellness-Intensivwochenende bietet, tatsächlich ein Gegenprogramm zur Welt des Business, dann würde es diese nämlich auch infrage stellen. So würde man davon nicht nur Erholung geboten, sondern auch Zweifel eingepflanzt bekommen: Ist all die Geschäftigkeit, der man sich sonst hingibt, nicht vielleicht absurd, die Hektik unnötig, die einseitige Orientierung an Gewinn und Erfolg zu kurzsichtig?
Mancher liefe möglicherweise sogar Gefahr, sich nach einem solchen Wochenende gar nicht mehr mit dem eigenen Job identifizieren zu können, und was als Stärkung wirken sollte, würde schnell zur Quelle einer lähmenden Sinnkrise. Dann aber wäre nicht plausibel, dass sich Wellnessangebote gerade an die Business-People richten.
Sollte die Funktion dieser Angebote also etwa eine andere sein? Dienen sie nicht nur der Entspannung und Kräftigung, sondern motivieren sie zugleich dazu, das dynamische Leben - die Logik des Kapitalismus und seine Steigerungsspiralen - fortzusetzen, ja noch zu intensivieren?
Ein Indiz dafür, dass die Welt der Wellness wirklich als Affirmation der Welt der Wirtschaft zu verstehen ist, liefern Werbeprospekte und Websites von Banken. In ihnen ist nämlich nichts so beliebt wie Bilder, die Menschen entspannt in einem Bassin, in einem Strandkorb mit Blick aufs Meer oder genussvoll unter einem Wasserfall zeigen. Gerade die Unternehmen, die für Geldanlagen zuständig sind und hohe Renditen versprechen, greifen also auf Sujets zurück, die identisch in Tourismusprospekten für Wellnessurlaube verwendet werden.
Es scheint also nicht übertrieben zu sein, wollte man behaupten, dass in der Wellness die Mentalität von Kapitalismus und Business eine sinnliche Repräsentanz und eben damit eine Bestätigung erfährt. Das aber gelingt, insofern in einzelnen Wellnessanwendungen Metaphern verkörpert sind, die sonst eine Rolle spielen, wenn es um Geld, Erfolg und Gewinn geht.
Vor allem ein Metaphernfeld besitzt dabei große Bedeutung. So wird in der Wellness nichts lieber als Wasser in seinen verschiedenen Aggregatszuständen und Eigenschaften inszeniert. Genauso aber zeugen viele Wendungen der Alltagssprache vom Wasser als Metapher für das Geld: Man pumpt Geld in die Märkte, lässt Geldquellen versiegen oder entdeckt eine sprudelnde Einkommensquelle, hat gegen Liquiditätsengpässe zu kämpfen, sitzt gar auf dem Trockenen, muss deshalb einen Freund anpumpen, ist dann wieder flüssig, ja schwimmt schließlich sogar im Geld.
Die positiven Erfahrungen des Flüssigseins, die jemand machen kann, der über viel Geld verfügt, ja die Liquiditätserlebnisse dessen, der pekuniären Gewinn einfährt und entsprechend in Optionen badet, werden somit in vielen Anwendungen sinnlich nachvollzogen und ganz direkt in Szene gesetzt.
In der um das Wasser zentrierten Wellness kommt die Seele des Kapitalismus vermutlich sogar besser als irgendwo sonst zum Ausdruck. Und selbst die kapitalistische Idee, wonach die Kraft des Geldes dazu genutzt werden soll, noch mehr Kraft zu erzeugen, den eröffneten Möglichkeitsraum also weniger auszufüllen, als vielmehr immer noch zu erweitern, erhält ein konkretes Pendant.
So erstrebt auch der Wellnesstourist das Wohlbefinden als solches. Statt es also für anderes zu nutzen, will er es immer noch intensiver erleben. Auch hier geht es, wie im Kapitalismus, um die Erweiterung eines Möglichkeitsraumes.
In den Prospekten ist der Wellnessliebhaber daher oft mit geschlossenen Augen abgebildet. Was vermeintlich nur Meditation und Abkehr signalisiert, verrät dann gerade auch, dass es um das Wohlfühlen als Selbstzweck geht. Nein, die Wellness ist keine Gegenwelt zum Business, sondern idealisiert und überhöht dessen Geist: Das Flüssigsein wird um seiner selbst willen genossen.
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