: Wo sind die Wege, die in den Osten führen?
■ Zwei Jahre nach der Maueröffnung weist kein Schild den Berlin-Besucher ins Umland/ Senat hat hierfür kein Geld
»Rotes Rathaus? Wo soll'n dat sein?« brummt der (West-)Taxifahrer am Checkpoint Charly. Auf das freundliche Angebot unseres Lesers Konrad B., er könne den Weg weisen, ging der Kutscher nicht ein. »Ick fahr nich in'n Osten«, meinte er und selbst der Hinweis, der Regierende Bürgermeister Diepgen residiere immerhin auch dort, fruchtete nicht: »Det ha'ck zwar jehört, daß der jetzt im Osten sein soll, aber ich weiß nicht wo.« Erst als Konrad B. versprach, auch den Rückweg zu erläutern, gab der Taxler nach.
Was für den Berliner schlimmstenfalls ärgerlich ist, bringt den angereisten Wessi zur Verzweifelung. Die Beschilderung in Berlin hat sich seit der Maueröffnung kaum vermehrt, so daß der Ortsunkundige, der meint, nach Frankfurt, Potsdam oder Rostock fahren zu müssen, zumindest im Westteil der Stadt auf den Kompaß verwiesen ist. Schuld daran seien, so stellte sich anläßlich einer kleinen Anfrage des FDP-Abgeordneten Axel Kammholz heraus, die enormen Lieferschwierigkeiten der Schilderhersteller — »hervorgerufen durch den Nachholbedarf in den neuen Bundesländern«. Zum anderen jedoch trägt die angespannte Finanzlage der Stadt zur Verwirrung bei.
So plant die Senatsverkehrsverwaltung für irgendwann, zusätzliche Straßenschilder mit »Nah- und Fernzielangaben« aufzustellen. Auch zwischen Zoo und Alex sollen Wegweiser angebracht werden. Sogar die Flughäfen sollen bei Gelegenheit ausgeschildert werden, wobei sich — Gipfel der neuen Übersichtlichkeit! — der Name des jeweiligen Airports auf dem Hinweis finden soll. »Die Umsetzung«, schließt die Verkehrsverwaltung jedoch, »kann nur kontinuierlich im Rahmen personeller und finanzieller Möglichkeiten erfolgen.
Inzwischen warnt gar der ADAC in seinem kürzlich erschienenen Berlin Spezial vor dem Dschungel der Hauptstadt. Der Automobilclub empfahl, daß der Berlin-Besucher sich als erstes einen Stadtplan leisten sollte, um dem Taxifahrer höflich zu sagen, wo es langgehe. Sonst, so das Magazin, könne es dem Ortsfremden passieren, daß er die Strecke von Potsdam nach Charlottenburg über den Autobahnring zurücklegen müsse, dabei die Stadt umrunde und schließlich via Alexanderplatz in Charlottenburg einlaufe.
Auf die Hinweise an den Autobahnen, die die Verkehrsverwaltung aufgestellt habe, möge man sich hingegen nur im Notfall verlassen, rät der ADAC: Die Beschilderung sei irreführend, unübersichtlich und viel zu dürftig. esch
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