: Wo käme mann da hin?
■ betr.: „Reichlich Baldrian in die Frauenpolitik getropft“, taz vom 19. 4. 96
Sehr richtig, Frau Süssmuth, Frauen bestimmen nicht die Politik dieses Landes. Frauenthemen im Parlament haben Signalcharakter: beim Klang des Wortes „Frau“ reißt es den männlichen Fortbewegungsapparat aus dem parlamentarischen Gestühl. Diese pawlowsche Reaktion ist einem Manne durchaus angemessen und verständlich. Eigentlich sollten Frauen sich nicht ob dieses bedingten Reflexes aufregen, sondern sich bei den Herren bedanken, schließlich gab es noch nie so viele Frauen in den Bonner Machtetagen wie heute, und gleichberechtigt sind Frauen auch, sogar per Gesetz. Schließlich können Frauen von einem Abgeordneten nicht verlangen, daß er unerschütterlich auf der Seite der Frauen steht oder gar der Kinder.
Männer haben nun mal „die“ Macht – ich glaube, das liegt an ihren biologischen Gegebenheiten –, und da ist es weiß Gott (der begründet auch irgendwie ihre Macht) keine Selbstverständlichkeit, daß ein Mann sich für Frauen stark macht. Und nicht nur das, sondern Frauen sogar erlaubt, in den männlich gewachsenen Strukturen mitmachen zu dürfen.
Den Preis fürs Mitmachendürfen muß der Frau natürlich auferlegt werden, als Politikerin ist sie der Männerpartei verpflichtet und nicht dem Fußvolk Frauen. Ist es da verwunderlich, daß Frau Nolte nach sieben Monaten Bedenkzeit nichts zur Pekinger Nachsorge eingefallen ist, ein Einfall würde doch ihre Kompetenzen übersteigen und ihre Karriere gefährden. (Bekannterweise resultieren weibliche Einfälle weniger aus bedingten Reflexen als aus sinnlicher Vernunft.)
Mehr als Ohn(e)machtsbeweise darf Frau Nolte doch gar nicht veräußern beziehungsweise in ihrem Hause verbündeln. Jedes Mehr ist als Verstoß gegen die Arbeitsplatzrichtlinien ihrer „Bündlungsstelle“ anzusehen. Mit jedem Mehr müßte sie sich nicht verleugnen, würde allerdings die Machtfrage stellen. Und das geht natürlich nicht! Wo käme mann da hin?
Frau jedenfalls käme raus aus der Einsamkeit, die die Verleugnung ihrer Interessen mit sich bringt, und ran an die Macht. Und könnte ihre Interessen selbst vertreten, was eigentlich nur selbstverständlich und logisch ist und demokratisch sowieso.
Oder, wie die Linguistin Luise F. Pusch bei ihrer Rede zur Gründung der Feministischen Partei so zutreffend bemerkte: „Jede Interessengruppe dieser Größenordnung (immerhin mehr als die Hälfte der Bevölkerung), die politisch ihre fünf Sinne beisammen hat, müßte doch eigentlich eine Partei zur Wahrung ihrer Interessen gründen.“ Wer zwingt Frauen eigentlich dazu, ihre Kräfte in Männerinteressengruppen (auch Partei genannt) zu vergeuden, das ist nämlich weder lustvoll noch effektiv und führt zu Jammern und Vagheit.
Wenn Frauen die Politik dieses Landes bestimmen wollen, müssen sie lediglich handeln, Biologie hin, gottgewollte Dominanz her, Druck ist organisierbar.
Jammern über weglaufende Parlamentarier heißt etwas „mit“ Männern tun und folglich für Männer tun, es schwächt letztendlich die eigene politische Position. Wenn Frauen handeln, spielt es doch keine Rolle, wohin Männer laufen oder ob sie auf der Oppositionsbank dunkellila anlaufen. Sabine Voigtlaender,
Regensburg
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