piwik no script img

Witze über Gewalt an FrauenDer Provokateur von Béziers

Der französische Politiker Robert Ménard giert nach Aufmerksamkeit. Jetzt sorgte er mit Plakaten über eine TGV-Anbindung für Entsetzen.

Robert Ménard im Jahr 2008, in dem er als Vorsitzender von „Reporter ohne Grenzen“ zurücktrat Foto: dpa

Paris taz | Er schafft es immer wieder, in die Schlagzeilen zu kommen. In diesem Fall war es ein Plakat, mit dem Robert Ménard als Bürgermeister von Béziers für die Verlängerung der TGV-Hochgeschwindigleitsbahnlinie bis in seine Stadt warb. Ein durchaus legitimes Anliegen – nur bedient sich Ménard einmal mehr zweifelhafter Mittel als Blickfang: Eine Fotomontage einer auf die Bahngeleise gefesselten und in Todesangst schreienden Frau, da ein Zug mit einer Dampflokomotive auf sie zurollt.

Was das mit Verkehrspolitik und öffentlichen Infrastrukturen zu tun haben könnte, sei zunächst dahingestellt. Ménard aber hat damit wieder mal bewiesen, dass ihm für seine Propaganda alle Mittel recht sind. Denn wie von ihm erhofft, löste das Plakat sofort lebhafte Proteste aus. Als Werbespruch stand nämlich auf dem Foto: „Mit dem TGV hätte sie weniger lang gelitten.“

Im besten Fall geschmacklos fand das die Vorsitzende der südfranzösischen Region Occitanie, Carole Delga. Man kann darin aber auch eine höchst deplatzierte Form der Verharmlosung von mörderischen Brutalitäten sehen, denen jedes Jahr in Frankreich mehr als als hundert Frauen zu Opfer fallen. Zumal es im Juni dieses Jahres in Frankreich tatsächlich einen Fall gegeben hatte, in dem ein Mann seine Frau bei einem erweiterten Suizid auf diese Art und Weise ermordet haben soll. Ménard stritt ab, dass es eine Anspielung darauf sein könnte, und verwies auf verschiedene Westernfilme sowie ein Taylor-Swift-Video, in dem es eine ähnliche Szene gab.

Doch auch die anderen Plakate bedienen einen zweifelhaften Humor: Auf einem anderen Schild für dieselbe Sache sah man einen Arzt, der einen (phallischen) TGV-Zug auf den Unterleib einer gebärenden Frau richtet, samt einem Spruch, den man mit „Kommt's bald?“ übersetzen könnte.

Juristische Schritte

In Frankreich wurden die Plakate schnell zum Gesprächsthema. In Paris protestierten die Staatssekretärin für Gleichberechtigung, Marlène Schiappa, und auch deren Vorgängerin Laurence Rossignol. Unter anderem Rossignol kündigte rechtliche Schritte gegen die Schilder an.

Der Bürgermeister von Béziers kündigte an, er werde seine umstrittenen Plakate jetzt wieder entfernen lassen – nur einen Tag nach der Enthüllung seiner Kampagne. Aber Ménard gab sich zufrieden: Die Plakate hätten ihren Zweck erfüllt. Dank seines Humors würden alle Medien gebannt auf seine Stadt schauen. Aber ob der Wirbel sein Anliegen um die TGV-Linie weitergebracht hat? Das bleibt fraglich.

Ménard selber war schon so vielen ein Begriff. Er war ursprünglich als Journalist Mitbegründer der Organisation Reporter ohne Grenzen, die überall auf der Welt die Freiheit der Medien verteidigt. Er stand damals politisch ganz links, war kurz Mitglied einer trotzkistischen Organisation, danach der Parti Socialiste, bevor er nach rechts und sogar extrem rechts abdriftete. Der heute 64-Jährige wurde 2014 dank der Unterstützung des Front National gewählt, dem er sehr nahe steht, angeblich ohne Mitglied zu sein.

Seit Jahren schon stellt er nun sein publizistisches Knowhow in den Dienst der rechtsextremen Ideologie. Als Profi der Öffentlichkeitsarbeit versteht er es, seine Ideen mit Provokationen zu verbreiten. Davon zeugen allein schon die Titel seiner Bücher: „Die Zensur der Wohlmeinenden „, „Vive Le Pen“, „Vive l'Algérie française“ oder auch „ABC eines Frankreichs, das nicht untergehen will“.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Der TGV kommt eh nicht, es fehlen die Mittel dafür. Denn wenn eine internationale Metropole wie Toulouse nicht an das Schnellbahnnetz angebunden wird, wie soll dann eine mittelgrosse wirtschaftlich völlig unbedeutende Stadt wie Béziers den TGV bekommen? Möglich wäre das nur im Rahmen einer bereits geplanten aber auf Eis gelegten Schnellbahnverbindung Montpellier-Barcelona.

    Das Regionalnetz hat Vorrang, denn Millionen von Pendlern und Fahrgästen in ganz Frankreich müssen ein völlig marodes Schienennetz ertragen und regelmässige Verspätungen und Ausfälle in Kauf nehemen.

  • 3G
    35730 (Profil gelöscht)

    Ich finde es gut, wenn Frauen weniger leiden. Mal den Bois de Boulogne aus dem Rektum gezogen und abgelacht, politisch korrektes Einfaltsvolk.

  • Französischer Sexismus, wie seit langem bekannt.

  • Das Plakat ist geschmacklos. Es bedient das Klischee der weiblichen Opfer, welches auch von Feministinnen gerne bedient wird. Es zeigt, dass Béziers noch in einer Zeit lebt, in der Aufmerksamkeit alles bedeutete, egal womit sie erreicht wurde. Schließlich sind die Plakate sicher keine Werbung für die Eisenbahn - auch nicht für den schnellen TGV.

    Die Reaktionen auf seine Aktion zeigt aber klar, dass sich die Welt geändert hat und sich so eine Aktion gegen ihn richtet und seine politische Position massiv schwächt. Damit zeigt der Fall insgesamt, dass das Spielen mit sexualisierter Gewalt in der Werbung eben nicht mehr funktioniert und sich die Gesellschaft in diesem Punkt deutlich gewandelt hat.