Wissenschaftszug auf dem Abstellgleis: Die Parkgebühren zahlt der Steuerzahler
Seit mehr als einem Jahr steht der aufwändig von der Bundesregierung umgerüstete Wissenschaftszug auf einem Abstellgleis und verschlingt Parkgebühren.
BERLIN taz | "Willkommen, Expedition Zukunft" – der Schriftzug im ersten Waggon verspricht eine besondere Reise. Sie führt in die Weiten des Universums, in die Frühgeschichte der Menschheit oder in den Mikrokosmos der Nanotechnologie. Jeder Wagen ist einem eigenen Thema gewidmet, schön designt und mit viel Technik versehen worden.
Für rund 9 Millionen Euro hat das Bundesforschungsministerium (BMBF) 2009 einen ausgedienten Zug umrüsten lassen, um den Bürgern im Jahr der Wissenschaft die Welt der Forschung nahezubringen. Sieben Monate fuhr der Zug kreuz und quer durch Deutschland, doch seit mehr als 12 Monaten steht er still. Die Weiterfahrt verzögert sich auf ungewisse Zeit – und die Parkuhr läuft.
Durch 63 Städte rollte der Science Express im vergangenen Jahr. Im November 2009 wurde der Zug dann nach Berlin-Grunewald rangiert und stillgelegt. Seither sind Parkgebühren in Höhe von 429.600 Euro aufgelaufen, wie aus einer Antwort auf eine Anfrage des SPD-Haushaltsberichterstatters Klaus Hagemann hervorgeht.
Den Großteil davon, 212.274 Euro, hat das BMBF bezahlt. Seit Oktober trägt nun die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) die monatlichen Gebühren von rund 38.000 Euro. Die MPG wird jeweils zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert. Die Parkgebühren bezahlen letztlich also die Steuerzahler.
"Sorgsamer Umgang mit Steuergeldern sieht anders aus", rügt SPD-Haushaltsexperte Hagemann. "Es ist ein Unding, dass es dem Bundesbildungsministerium über ein Jahr lang nicht gelungen ist, die zugesagte Weiterverwendung zu organisieren."
Das von Annette Schavan (CDU) geführte BMBF sieht die MPG als Schuldigen. Sie trage die Verantwortung für die weitere Verwendung des Zugs. In der Tat wurde dieser von der MPG entworfen und auf die Schiene gesetzt.
"Der Zug war richtig, aber wir sind auch so ehrlich zu sagen: wir haben uns geirrt", räumt heute Andreas Trepte, Projektleiter des Science Express bei der MPG, ein. In der Gesellschaft ging man davon aus, der Zug könne nach seiner Deutschlandreise noch ins Ausland rollen. Aber Gespräche mit Österreich, der Schweiz und China scheiterten.
Auch Frankreich wird wohl absagen, weil der Betrieb zu teuer ist. 3,5 Millionen Euro kassierte die Deutsche Bahn allein für das halbe Jahr, in dem der Zug durch Deutschland fuhr. Auch weil die Spurbreite zu klein ist. Um nach China zu gelangen, müsste der 300 Meter lange Zug aufs Schiff verladen werden.
Trepte sieht noch einen anderen Grund für das Desinteresse: "Man kauft gern unsere Produkte, aber will nicht von uns die Welt erklärt bekommen", ist sein Fazit, nachdem er ein Jahr durch die Welt gereist ist und verhandelt hat. Immerhin hat er nun einen kostenlosen Parkplatz gefunden. Der Zug zieht im Dezember auf ein verlassenes Kasernengelände. Und wird eingemottet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Pro und Contra
US-Präsident Biden hat seinen Sohn begnadigt – richtig so?
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld