Wissenschaft und Medien: Heimliche Zuschüsse
Wissenschaftsorganisationen und der Staat beeinflussen mit Geld die Berichterstattung in den Medien. Über die Zuwendungen wird ungern geredet.
BERLIN taz | Wissenschaft wird zwar unbestritten immer wichtiger. Aber wie erfährt das nichtwissenschaftliche Laienpublikum, was sich in Hörsälen und Forschungslabors abspielt? Was früher die Domäne des Wissenschaftsjournalismus war, haben nun die Hochschulen und Forschungsorganisationen medial selbst in die Hand gekommen.
In den letzten Jahren wurde eine gigantische Kommunikationsmaschine aufgebaut, die in erster Linie PR-Botschaften versendet. Öffentliche Wissenschaftskritik ist auf dem Rückzug.
Ein Indiz für den prekären Zustand des unabhängigen Wissenschaftsjournalismus war im Frühjahr das überraschende Ableben des New Scientist Deutschland nach nur 31 Ausgaben. Überraschend, weil hinter der Magazin-Innovation der finanzkräftige Spiegel-Verlag stand.
„Ein Heft, das nicht den Weg zur Zielgruppe fand“, analysiert Annette Leßmöllmann, Professorin für Wissenschaftskommunikation am Karlsruhe Institut für Technologie (KIT). Das Direktmarketing für diese Form von Bezahljournalismus habe nicht gegriffen, auch habe der New Scientist Deutschland zu wenig die Social-Media-Kanäle bespielt. Am inhaltlichen Konzept des Blattes habe es nicht gelegen.
Nach einem Boom in den 80er und 90er Jahren, als immer mehr Zeitungen eigene Wissenschaftsseiten einrichteten, ist das Ressort wieder auf dem Rückzug. Dafür liegen den Printmedien immer häufiger gesponserte Beilagen bei, geschrieben von den Kommunikationsabteilungen der Wissenschaftseinrichtungen.
In seiner Übersicht im WPK- (II/2013) führt der Wissenschaftler und Journalist Markus Lehmkuhl zahlreiche Beispiele von Medien an, die für die Berichterstattung aus dem Bereich Wissenschaft und Forschung Zuwendungen bekommen. Aufgeführt werden zumeist Medien aus Österreich und der Schweiz. Bei Heureka, der jährlich fünfmal erscheinenden Beilage des Wiener Stadtmagazins Falter erfährt der Leser zumindest noch, dass es sich um eine „entgeltliche Einschaltung“ des österreichischen Forschungsministeriums handelt.
Bei anderen Produkten ist das nicht der Fall. Und selbst langjährige Redakteure sind überrascht, wenn sie erfahren, dass auch die Nachrichtendienste APA (Österreich) und SDA (Schweiz) Geld aus dem Forschungsbereich bekommen. Bei der SDA sind es immerhin „zwei Drittel der Gehälter für zwei Wissenschaftsredakteure“ die von der Schweizer Hochschulrektorenkonferenz finanziert werden, berichtet Lehmkuhl. (wlf)
Eine verdeckte Form der Einflussnahme hat jetzt die deutsche Journalistenvereinigung „Wissenschafts-Pressekonferenz“ (WPK) in Österreich ausfindig gemacht. Dort erhalten die führenden Wiener Tageszeitungen Zuschüsse von der Österreichischen Wissenschaftsakademie, dem Forschungsministerium und einzelnen Hochschulen, um Redakteure im Wissenschaftsressort zu bezahlen.
Der Wiener Standard bekam auf diese Weise im ersten Quartal 2013 eine Förderung in Höhe von 55.000 Euro, die Tageszeitung Die Presse im gleichen Zeitraum gut 38.000 Euro, wie WPK-Autor Markus Lehmkuhl einer Auflistung der //www.rtr.at/de/m/InstitKommAustria:Kommunikationsbehörde Austria entnahm.
ZDF und DFG
In einer weiteren Recherche wurden vergleichbare Finanzierungsmodelle in acht europäischen Ländern ausgemacht, darunter Deutschland. Lehmkuhl: „So wurde vor mehr als zehn Jahren die ZDF-Sendereihe ’Humboldts Erben‘ üppig mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt.“
Die WPK-Publikation erschien übrigens zeitlich passend zur „Wissenswerte“-Konferenz des deutschen Wissenschaftsjournalismus diese Woche in Bremen. Und wer finanzierte die Tagung der Wissenschaftsjournalisten? Fünf große deutsche Wissenschaftsorganisationen.
Die Zeitungsbranche darbt, das Wissenschaftssystem schwimmt im Geld. Was mit der Initiative des Stifterverbandes „Public Understanding of Science“ 1999 begann, um Wissenschaft mit neuen Mitteln dem Volke anzutragen, hat sich zu einer eigenen Kommunikationsbranche der Wissenspopularisierung entwickelt. Schülerlabore, Wissenschaftsnächte, Forschungsbusse, eigene Hochglanzmagazine und Internetportale – Insider schätzen, dass die rund 1.000 wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland heute mehr als 10.000 Mitarbeiter nur für Kommunikationsaufgaben beschäftigen.
Welche Zielgruppen erreicht werden sollen, hat Frank Marcinkowski, Kommunikationsforscher an der Uni Münster, am Beispiel der neuen Hochschulkommunikation untersucht. In einer Studie im Rahmen des BMBF-Projekts „Neue Governance der Wissenschaft“, das kürzlich im Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung (WZB) vorgestellt wurde, kam er zu dem Befund, dass in den Augen der Hochschulleitung die „potenziellen Studierenden und ihre Eltern“ die wichtigste Zielgruppe sind, die es kommunikativ zu erreichen gilt.
Mittel zum Zweck
Nächstwichtige Adressaten sind die „Wissenschaftspolitik und -ministerium“ sowie „Öffentliche Drittmittelgeber wie DFG und Stiftungen“, gefolgt von der Wissenschaftscommunity und der Wirtschaft. Die „Medien“ rangieren ganz am Schluss.
„Die Wissenschaftskommunikation der Zukunft“, bilanziert Marcinowski, „steht nicht mehr primär im Dienste gesellschaftlicher Aufklärung, sondern ist ein Mittel zum Zweck der Selbstvermarktung wissenschaftlicher Einrichtungen, die sich im politisch gewollten Wettbewerb behaupten müssen“.
Damit bahnt sich ein Konflikt zwischen Journalismus und Wissenschaft an, den Reinhard Hüttl, Präsident der Akademie für Technikwissenschaften (Acatech) lieber abwenden möchte. „Mehr Ehrlichkeit“ verlangt er von den „beiden Seiten des Schreibtisches, Wissenschaftsjournalismus und Öffentlichkeitsarbeit“.
Der Weg zu Qualitätsstandards müsse beschritten werden, wozu das „Mediendoktor“-Projekt an der Universität Dortmund, eine Art TÜV-Prüfung für Zeitungsartikel, ebenso wie der „Siggener Denkanstoß“ (pdf) zählt, der im Sommer eine „Charta der Wissenschaftskommunikation“ formulierte.
Wissenschaft, Öffentlichkeit und Medien
Hüttl ist auch Mitglied einer Arbeitsgruppe, in der die Deutsche Nationalakademie Leopoldina, die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften und seine Acatech seit zwei Jahren über „Empfehlungen zur Gestaltung der Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und Medien“ (WÖM) in nichtöffentlichen Sitzungen brüten. Im neuen Magazin der Helmholtz-Gemeinschaft (3/2013) ließ Hüttl erstmals durchblicken, zu welchen Vorschlägen die WÖM-Gruppe gelangen könnte.
„Maßnahmen können Qualitätslabel für Pressestellen sein, genauso wie umgekehrt eine Ahndung übertriebener Sensationsmeldungen. Auf der Seite des Wissenschaftsjournalismus könnte ein Ombuds-System eingerichtet werden; Stiftungen sollten sich ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, ob es nicht an der Zeit ist, vergleichbar mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch von Werbeeinnahmen unabhängige Wissenschaftsmagazine zu finanzieren.“ Eine bemerkenswerte Annäherung an ein anderes Kooperationsverbot.
Das Misstrauen wächst
Wenn es zu keiner neuen Annäherung zwischen Journalismus und Wissenschaft kommt, schwant selbst Peter Weingart, dem Leiter der WÖM-Gruppe, könnte die PR-Kampagne der Wissenschaft letztlich zu deren „Glaubwürdigkeitsverlust“ führen. Gleichlautend warnt Marcinowski in seiner Studie vor „dysfunktionalen Folgen, mit nicht intendierten Konsequenzen für das gesellschaftliche Vertrauen in die Wissenschaft“.
Eine Überraschung kam am Mittwoch aus dem Berliner Regierungsviertel. In ihrem Koalitionsvertrag (pdf) verständigten sich Union und SPD auf ein Partizipationsangebot, das es so in der Bundeswissenschaftspolitik noch nicht gegeben hat. Auf Seite 151 heißt es: „Wir wollen Bürgerinnen und Bürger und die Akteure der Zivilgesellschaft konsequent in die Diskussion um Zukunftsprojekte und die Ausgestaltung von Forschungsagenden einbinden. Wir wollen neue Formen der Bürgerbeteiligung und der Wissenschaftskommunikation entwickeln und in einem Gesamtkonzept zusammenführen.“
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