Wirtschaftsminister über Gordon Brown: "Unsicher und gehemmt"
Am Sonntag wurde eine E-Mail von Wirtschaftsminister Peter Mandelson bekannt, in der er ein vernichtendes Urteil über Gordon Brown fällt. Dabei galt Mandelson bislang als enger Vertrauter.
DUBLIN taz | Er ist das Stehaufmännchen der britischen Politik. Wirtschaftsminister Peter Mandelson, neuerdings ein enger Vertrauter von Premierminister Gordon Brown, war früher der Lieblingsberater von Browns Vorgänger und Erzrivale Tony Blair und der Architekt von dessen New Labour. Dennoch musste er gleich zweimal aus Blairs Regierung zurücktreten, stets wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten. Brown holte ihn im vergangenen Herbst zurück in die Regierung. Nachdem in der vorigen Woche neun Kabinettsmitglieder zurücktraten, stieg Mandelson, der Brown vehement verteidigte, de facto zu dessen Stellvertreter auf.
Am Sonntag kam heraus, was er wirklich von Brown denkt: In einer E-Mail, die der Mail on Sunday zugespielt wurde, beschreibt Mandelson den Premierminister als "unsicher" und "gehemmt". Er lasse den natürlichen Umgang mit den Wählern vermissen und konzentriere sich zu stark auf den Starkult, aber zu wenig auf wohlüberlegte und gut vorbereitete Entscheidungen.
Die E-Mail stammt zwar vom Januar vorigen Jahr, aber sie gibt den Labour-Dissidenten aller Fraktionen, den Parteilinken wie den Blair-Anhängern, Auftrieb. Bis zu 100 Abgeordnete sollen einen Brief unterzeichnet haben, der zwar Browns Leistungen würdigt, ihn aber zum sofortigen Rücktritt auffordert. 72 Unterschriften sind notwendig, um eine Wahl des Labour-Chefs auszulösen. Als Strohmann für den Putsch haben sie angeblich den früheren Innenminister Charles Clarke gewonnen.
Sollte sich die Unterschriftenliste in diesem Umfang bestätigen, wären laut einer Umfrage vom Wochenende rund die Hälfte der Labour-Mitglieder für Browns Rücktritt. 53 Prozent glauben, sie wären mit Tony Blair besser dran. Und ein Drittel hat bereits resigniert: Labour habe weder mit Blair oder Brown noch mit irgendjemand anders eine Chance, die Parlamentswahl zu gewinnen, die spätestens im Frühjahr stattfinden wird, zumal die Basis aufgrund der Grabenkämpfe demoralisiert ist.
Es geht wohl nur noch um Schadensbegrenzung. Viele Abgeordnete, die über keine überwältigenden Mehrheiten in ihren Wahlkreisen verfügen, hoffen offenbar, dass sie mit dem Sturz Browns das Debakel eindämmen und dadurch vielleicht ihren Sitz behalten können. Doch was geschieht, wenn es ihnen gelingt, die Neuwahl des Labour-Chefs zu erzwingen? Brown hat am Freitag deutlich erklärt, dass er keinesfalls freiwillig gehen, sondern kämpfen werde.
Und die - in sich heterogenen - Dissidenten können keine wirkliche Alternative präsentieren. Alan Johnson, der von 75 Prozent der Parteimitglieder als potenzieller Nachfolger angesehen wird, hat gerade den Job als Innenminister angenommen. David Miliband, der ebenfalls infrage käme, ist Außenminister geblieben. Browns Anhänger meinen, die besten Aussichten auf ein erträgliches Wahlergebnis habe die Partei, wenn sie die Grabenkämpfe beende.
Falls es Brown in dem Jahr, das ihm dann noch bleibt, gelingt, die politische Debatte wieder auf Inhalte statt auf Persönlichkeiten zu lenken, müssten die Tories wenigstens offenlegen, was sie zu tun gedenken, wenn sie an die Macht kommen. Bisher beschränkt sich Tory-Chef David Cameron darauf, Neuwahlen zu fordern. Sein politisches Programm ist vage, weil er wegen des desolaten Zustands der Regierung nicht konkret werden muss. So ist die Kultur der politischen Debatte in Großbritannien auf der Strecke geblieben.
An diesem Montag muss sich Brown seiner Unterhausfraktion stellen. Es wird eine turbulente Sitzung, so viel steht jetzt schon fest. Brown wird sie wohl nur überstehen, wenn er Zugeständnisse an den linken Flügel macht. Der fordert die Begrenzung des Trident-Atomwaffenprogramms und der weiteren Privatisierung des Wohlfahrtsstaats. Vor allem aber soll Brown die geplante Privatisierung der Post aufgeben. Doch die ist Mandelsons Lieblingsprojekt, und den Wirtschaftsminister kann Brown nun wirklich nicht als Feind gebrauchen.
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