Wirtschaftsminister über Altersbezüge: Rentengarantie weniger garantiert
Rainer Brüderle entfacht eine Sommerdebatte über die Renten. Wenn die Löhne sinken, sollen auch die Alterbezüge sinken. Merkel moderiert das Thema ab.
BERLIN taz | Vor dem Ende der großen Koalition gossen CDU und SPD im vergangenen Jahr noch ein großes Versprechen in Gesetzesform: Die Renten sollten nominal nicht mehr sinken. Die FDP, damals noch in der Opposition, war strikt gegen die sogenannte Rentengarantie. So verwundert es kaum, was Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) jetzt der Rheinischen Post sagte: "Ich bin der Meinung, dass wir von der Rentengarantie wieder abkommen und zu den normalen Mechanismen bei der Rentenanpassung zurückkehren sollten."
Wenn die Löhne also im bundesweiten Mittel sinken, dann sollen auch die Renten wieder sinken können. Momentan muss der Staat die Altersbezüge auf gleichem Niveau halten, auch wenn Arbeitnehmer unter Lohneinbußen leiden. Das war im Krisenjahr 2009 zum ersten Mal seit 50 Jahren der Fall. Die 20 Millionen Ruheständler hätten ohne Rentengarantie 2 Prozent weniger Geld bekommen.
Die Kanzlerin ließ das Sommerthema durch Nochregierungssprecher Ulrich Wilhelm unmissverständlich abmoderieren: "Die Forderung steht nicht im Koalitionsvertrag, und sie steht auch nicht auf der Agenda der Bundesregierung", sagte er. Damit scheint die Sache vom Tisch zu sein. Doch obwohl auch das Arbeitsministerium die Forderung zurückwies, steht Brüderle nicht allein da. "Ich halte den Vorstoß von Minister Brüderle für richtig. Die Rentengarantie ist ordnungspolitisch gesehen systemwidrig", sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Norbert Barthle (CDU), zur taz.
"Wenn es mit den Löhnen aufwärtsgeht, geht es mit den Renten aufwärts, wenn es mit den Löhnen abwärtsgeht, dann sollten folglich auch die Renten sinken." Die Rentengarantie bezeichnete er als kurzfristige Maßnahme zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise. "Wir haben in der Krise viele ordnungspolitische Fehler gemacht, wie zum Beispiel die Abwrackprämie oder die Rentengarantie. Das waren kurzfristige Maßnahmen, um die Binnenkaufkraft zu erhalten." Über das Thema müsse man aber langfristig reden. Mittelfristig stehe die Abschaffung der Rentengarantie nicht auf der Agenda. Der sozialpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Heinrich Kolb, ist prinzipiell für die Abschaffung. In diesem Jahr sei die Rentengarantie richtig gewesen. "Allerdings müssen sich auf lange Sicht Löhne und Renten im Gleichklang entwickeln", sagte er der taz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich