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Wirtschaftsförderung Die „Maritime Meile“ in Vegesack sollte einst 100.000 Besucher anlocken. Davon ist nicht viel übrig gebliebenVersenkt in Vegesack

von Klaus Wolschner

Es sollte so schön werden, „Schiffbau zum Zuschauen und Mitmachen“ sollte Touristen locken. Mit dem Titel „Gläserne Werft“ war ein wunderbar verzauberndes Wort gefunden, das 1998 von Arbeitssenator Uwe Beckmeyer vorgestellte Konzept beschrieb ein Schiffsbau-Erlebniszentrum als Bestandteil einer „Maritimen Meile“ – Vegesack sollte touristisch boomen, wegbrechende Industriearbeitsplätze sollten durch moderne Tourismus-Dienstleistungsangebote kompensiert werden.

Konkret sollte die Bootsbau-Manufaktur „wirtschaftlich tragfähige Produkte und Dienstleistungen für maritime Spezialmärkte“ anbieten und für die „Erlebniswelt“ wurde ein „Besucherpotenzial von 100.000“ gesehen. Zur Kreation dieser phantastischen Zahl wurden Münchener Unternehmensberater engagiert.

Weil sich das große Konzept als reines Seemannsgarn herausstellte, gingen die Bremer Wirtschaftsförderer zehn Jahre später daran, abzuspecken. 2007 war es so weit, „Schaufenster Bootsbau“ der neue bescheidenere Name, das „Besucherpotenzial“ von 100.000 dezimierte sich auf 10.000 erwartete Besucher. Auf dem Papier. Aber zahlungskräftige Sponsoren waren da: Das Arbeitsamt, der „Europäische Fonds für regionale Entwicklung“ (EFRE) und der Bremer Senat.

Wie viel Geld diese Idee der öffentlichen Hand wert war, ergibt sich aus den alten Unterlagen: Für Bau und Einrichtung der Gläsernen Werft und des Schaufensters Bootsbau wurden aus EU-Mitteln 2.8 Millionen Euro bewilligt, der Wirtschaftssenator spendierte 31.000 Euro für den Außenbereich dazu. Die Ponton-Anlage wurde mit 300.000 Euro „aufbereitet“, damit dort auch richtige Schiffe anlegen konnten. Für den „Bootsbaulehrpfad“ gab es nochmal 75.630 Euro. Aber Ende 2011 war dann Schluss – Insolvenz.

Seitdem rostet der Rumpf des letzten in Auftrag gegebenen Schiffes, die „Wietze“, vor sich hin und der stolze, 14 Meter hohe Aussichtsturm mit seinem „Info-Center“ steht verwaist da. Ein „Luftschloss“ sei das Schaufenster Bootsbau, ein „Wunschtraum“ mit Systemfehler, hat der frühere CDU- und heutige FDP-Lokalpolitiker Rainer Buchholz schon vor Jahren gesagt.

Alle Jahre wieder erinnert nun die EU-Kommission die Bremer Verwaltung daran, dass diese die Nachhaltigkeit der ausgegebenen Mittel nachweisen muss – bis 2019 sollte das Projekt mindestens laufen. Würde Bremen Klartext reden und erklären, dass das Geld letztlich in den Sand gesetzt wurde, wären Verhandlungen um Rückzahlungen fällig – es geht um eine sechsstellige Summe. So erklärt der Bremer Senat gebetsmühlenartig, dass das Projekt vorübergehend eingestellt sei und Partner für eine Fortführung gesucht würden. Aber bisher hatte niemand Interesse an dem Grundstück mit Bootsanleger an der Weser.

Was die hochtrabende Konzeption der „Maritimen Meile“ angeht, die die zusammenbrechende Industriestruktur im Bremer Norden durch Tourismus-Attraktionen kompensieren sollte, ist die Gläserne Werft nicht das einzige Luftschloss gewesen. Ein anderes lief unter dem Namen „Spicarium“ vom Papierstapel der Wirtschaftsförderer, es war ein Eckpfeiler der „Maritimen Meile“: Seit März 2011 wurden die Geschichte und die Zukunft des Schiffbaus in einem Museum dargestellt, für das der „Alte Speicher“ am Vegesacker Hafen umgebaut worden war. Gutachterlich geprüft erwartete man 30.000 zahlende Besucher im Jahr – aber nach drei Jahren Anlaufzeit kamen 2013 noch 10.000, im Jahre 2014 nur 6.500. Am 20. Dezember 2015 wurde das Spicarium geschlossen – nach einem Jahr Bedenkzeit sind nun dort Kunstausstellungen zu sehen und das Bremer Geschichtenhaus zeigt theatralische Darstellungen, die sich um die Geschichte der Lange-Werft ranken. Neue Besucher-Zielzahlen wurden nicht mehr formuliert.

Auch das Einkaufszentrum Haven Höövt musste Insolvenz anmelden und wird nun in abgespeckter Form neu geplant.

So bezeichnet die „Maritime Meile“ vor allem den schönen Weserufer-Weg in Vegesack, der am Schulschiff Deutschland beginnt und bei der Gaststätte „Gläserne Werft“ endet. Da gibt es heute „Paprikasauce mit Rosmarinkartoffeln und frischem gemischten Salat“ für 8,80 Euro - den schönen Blick auf die Weser gibt es gratis dazu.

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