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Wirtschaft schrumpft um 2,1 ProzentSo viel Rezession war nie

Europaweit schrumpft die Wirtschaft stärker als von Experten befürchtet. In Deutschland sinkt die Wirtschaftsleistung um 2,1 Prozent zum Vorquartal.

Düstere Aussichten: Der deutsche Wirtschaftsmotor stottert. Bild: ap

Deutschland und Europa stecken tief in der Rezession. Die deutsche Wirtschaft ist im vierten Quartal 2008 um 2,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal geschrumpft. Das gab das Statistische Bundesamt am Freitag bekannt. Der Rückgang fällt dramatischer aus, als es von Experten erwartet worden war. Europaweit sind die Zahlen dramatisch. Wie die Statistikbehörde Eurostat berichtete, ist die Wirtschaft in der Eurozone im vierten Quartal um 1,5 Prozent geschrumpft. Das ist der schlechteste Wert seit Einführung der Statistik 1995.

Eine vergleichbare Rezession habe es seit dem Zweiten Weltkrieg noch nicht gegeben, sagte ein Sprecher des Statistischen Bundesamts. Lediglich im ersten Quartal 1987 sei mit 2,5 Prozent ein stärkerer Rückgang zu verzeichnen gewesen. Damals habe es sich allerdings um eine Sondersituation gehandelt. Im folgenden Quartal sei die Wirtschaft bereits wieder um 2,2 Prozent gewachsen.

In der EU wuchs die Wirtschaft im vierten Quartal lediglich in der Slowakei, Griechenland und Zypern. Außer den baltischen Staaten, die besonders von der Finanzkrise betroffen sind, schrumpfte im vierten Quartal in keinem anderen EU-Land die Wirtschaft so stark wie in Deutschland. Das liegt vor allem an den stark sinkenden Exporten, sagte Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). "Der Rückgang des Weltwirtschaftswachstums trifft Deutschland als Exportnation besonders hart. Da hilft auch die gute Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen nichts."

Dem Statistischen Bundesamt zufolge ist neben dem schwächelnden Export vor allem der Rückgang der Firmeninvestitionen der Grund für das sinkende Bruttoinlandsprodukt. Zudem sei auch der private Konsum leicht zurückgegangen. Die deutschen Unternehmen haben darüber hinaus ihre Lagerbestände erhöht.

Dabei trifft die Krise laut Statistischem Bundesamt besonders das produzierende Gewerbe. Aber auch Unternehmensdienstleister wie beispielsweise Zeitarbeitsfirmen seien überproportional stark betroffen.

Insgesamt ist die Wirtschaft in Deutschland 2008 im Vergleich zum Vorjahr um 1,3 Prozent gewachsen. Dies lag vor allem am starken Wachstum im ersten Quartal. Im zweiten und dritten Quartal ging die Wirtschaftsleistung jedoch bereits um jeweils 0,5 Prozent zurück.

Einen Hoffnungsschimmer gibt es: 40,8 Millionen Erwerbstätige gab es im vierten Quartal 2008 - 1 Prozent mehr als im Vorjahr und der höchste Wert seit der deutschen Einheit. Laut Döhrn vom RWI wird sich dieser Trend aber nicht fortsetzen: "Der Arbeitsmarkt reagiert immer mit Verzögerung." Die Zahl der Arbeitslosen werde von Februar an Monat für Monat steigen.

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6 Kommentare

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  • A
    Amos

    Die Banken dürften hier eigentlich nicht regieren.

    Die Politiker werden als Volksvertreter gewählt und

    haben dafür zu sorgen, dass dass Kapital sich hier

    anständig benimmt. Und wenn sie dazu nicht in der

    Lage sind, weil sie von allen Seiten "geschmiert"

    werden müssen sie ihren Hut nehmen. Das dicke Ende kommt

    für diejenigen, die sich außerhalb des Establishments befinden, wenn CDU und FDP nach der

    Bundestagswahl die Regierung bilden. Dann wird die

    USA bereits auf einem anderen Kurs sein. Und diese

    Regierungsflaschen wollen ihren unerhörten sturen

    Kurs fortsetzen.

  • PJ
    Patrik Jübermann

    Hallo Taz Redakteure,

     

    nur indirekt passend zum Thema: auf der Petitionsseite des deutschen Bundesttages gibt es eine Petition zu Grundeinkommen. Ansich nichts neues, aber: es ist die erfolgreichste Petition seit langem, die Mitzeichnerzahlen erhöht sich minütlich (um 20:00 ca. 60 Unterschriften in fünf Minuten) und es sind schon über 35000!

     

    Vielleicht wäre dass mal einen Artikel wert?

    Zumal die Hürde bis 50000 schon in der Nähe ist.

    Ich hab noch von keiner Onlinepetition gehört, die das geschafft hat.

  • VB
    Volker Beringer

    Die Wirtschaftsdiktatoren wollen einfach immer noch nicht begreifen, das es ein unendliches Wirtschaftswachstum nicht gegen kann.

     

    Wie kann etwas auf der Basis von endlichen Ressourcen unendlich wachsen?

     

    Das funktioniert auch dann nicht wenn kriminelle Elemente ins Spiel kommen, wie z. B. die Schaffung virtueller Geldmengen. Was zur Zeit an sogenannten Wirtschaftswerten auf der Erde existieren soll, entspricht in etwa dem siebenfachen der Erdmasse an Gold.

    Auch verwundert es, wieso dieser Zusammenbruch überraschend gekommen sein soll, wenn schon seit über 5 Jahren Wirtschafts- bzw. Börsenfachleute vor einem platzen der Immobilienblase und deren Folgen warnten.

     

    Vielleicht liegt mein Unverständnis darin das ich nicht verstehe, wieso der Staat den Banken Steuergelder leiht um diese dann wieder teuer zurück zu leihen.

  • W
    wanja

    Ich bin ähnlicher Meinung wie Stefan G. Ein grundsätzliches Problem ist z.B. extreme Anhäufung von Kapital, z.B. weil dies fast zwangsläufig zu Spekulationsblasen führt, die dann ebenso zielsicher in absehbare Krisen führt (Ähnliches wusste schon der Nobelpreisträger Tobin, auch wenn er es nicht ganz so milliardärskritisch gesagt hat). Außerdem führt es mit zu großer Wahrscheinlichkeit zu Missbrauch der Macht, die damit verbunden ist. Und sogar wenn alle Milliardäre wohlwollend wären, ist es problematisch, denn wer garantiert, dass sie klug genug sind, das Kapital zum Wohle der Allgemeinheit zu verwenden? Machtkonzentration anderer Art wie im Stalinismus ist natürlich ebenso wenig wünschenswert! (hier hat z.B. auch Pierre Bourdieu mit seiner Metapher recht, dass es viele Arten von 'Kapital' gibt).

     

    Die Konjunktur sollte zwar - vgl. J. M. Keynes - tatsächlich (da der Kapitalismus nicht so schnell durch etwas besseres ersetzt werden wird) staatlich angefeuert werden, aber viel stärker durch soziale und umweltschützende Maßnahmen. Zu letzteren würde zählen: Bau Dutzender neuer Fabriken für Solaranlagen und gezielte Ausbildungsoffensive für nötiges Fachpersonal in diesem Bereich. Ähnliches für Geothermie und Wellenkraft u.a. erneuerbare Energien.

     

    Nicht zuletzt auch Maßnahmen für ein besseres Müllkonzept, das z.B. eine viel höhere Recycling-Quote bringt. Nicht zuletzt sei dabei daran erinnert, dass Zig Tausende Tonnen giftigen Mülls (z.B. Elektroschrott) nach Afrika, Indien etc. verkauft wird und dort dann ein "Recycling" praktiziert wird, das Zig Tausende dort exzessiv ausgebeutete Menschen krank macht, Grundwasser vergiftet etc. Hier wären auch einige strukturverändernde Milliarden angebracht.

  • C
    Chris

    Wer mit offenen Augen mitverfolgt hat, wie sich die sozialen Verhaeltnisse in unserem Land (und den meisten anderen Industrieländern) entwickelt haben (insgesamt sehr Moderate Lohnentwicklung und das Abgleiten von Unmengen von Leuten in die Leih/Zeitarbeiterei, die von der Hand in den Mund leben)....

    Wer ausserdem einen kleinen Einblick darin hatte, in welcher Art in den USA der Konsum aufrechterhalten wurde (Schuldenmachen über Kreditkarte und Beleihung des spekulativ im Wert manipulierten Wohneigentums)...

    ....und wer halbwegs klarbekommt, wie die USA und China sich gegenseitig stützen (von Chinsesen gekaufte amerikanische Staatsanleihen finanzieren amerikanischen Konsum)...

    wer all das halbwegs versteht, kann sich eigentlich nicht wirklich wundern, das das passiert ist, was nun passiert ist.

    Es war nur eine Frage der Zeit.

     

    Leider hat das was passiert ist ein derartiges Ausmass, das die Welt "danach" nicht mehr so ganz dieselbe sein kann.

     

     

    Im Beitrag unten steht :

    Ein Weiter so darf es nicht geben.

    Recht hat er an sich...

    Aber die Kombination aus Habgier, Dummheit und Verdrängung, die Menschen sehr oft eigen ist, wird sich ganz gewiss auch hier durchsetzten.

     

    Das kein Geld in die Banken gesteckt werden soll, wie mein Vorredner schreibt, ist vom Prinzip her richtig...

    Unternehmungen, die schlecht geleitet werden oder deren Produkte sich als minderwertig erwiesen haben, gehen normalerweise pleite.

    Leider ist das bei Banken so nicht machbar.

    Entwickelte Volkswirtschaften ohne Banken sind undenkbar.

  • SG
    Stefan Giebel

    Es wäre an der Zeit, über die Ursachen der Krise nachzudenken, anstatt Milliarden und Abermilliarden in Banken und Konzerne zu stecken, die längst gezeigt haben, dass sie mit Geld nicht verantwortlich umgehen können und wollen. Ein "Weiter so" darf nicht die Lösung sein.