piwik no script img

Wird die Zollfahndung zum Geheimdienst?

Verschärfung der Exportkontrolle im Bundesrat/ Kritik an Überwachungs-Kompetenzen für Zollfahndung  ■ Von Thomas Scheuer

Berlin (taz) — Nach der SPD-Opposition melden jetzt auch Koalitionspolitiker verfassungs- und datenschutzrechtliche Bedenken gegen einige Neuerungen der deutschen Exportkontrollgesetze an. So will die CDU/FDP-Landesregierung von Rheinland-Pfalz am heutigen Freitag im Bundesrat die Einschaltung des Vermittlungsausschusses beantragen, um eine Änderung der vom Bundestag beschlossenen Novellierung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) zu erreichen. Unter dem Druck der internationalen Kritik an deutschen Waffen- und Technologielieferungen in den Nahen Osten hatte das Bonner Parlament kürzlich zum zweiten Mal seit 1989 das AWG verschärft. Höhere Strafen, mehr Überwachung — so lautete das Rezept der Regierungsvorlage.

Einwände brachten SPD-Opposition und einzelne FDP-Abgeordnete allerdings gegen die vorgesehenen Überwachungsmaßnahmen vor. Die AWG-Neufassung gestattet dem Zollkriminalamt, künftig schon beim bloßen Verdacht illegaler Ausfuhren den Post- und Telefonverkehr von Firmen und Geschäftsleuten zu überwachen, auch ohne Einschaltung von Staatsanwalt oder Richter. Selbst unter Zollfahndern ist diese Neuregelung umstritten. Denn bei einem begründeten Verdacht war die richterliche Erlaubnis etwa für die Telefonüberwachung eines Händlers im Rahmen eines Ermittlungverfahrens bislang selten ein Problem. Daß der Zollfahndung ein geheimdienstliches Instrumentarium in die Hand gegeben wird, stieß vor allem den Sozialdemokraten auf. Aus verfassungs- und datenschutzrechtlichen Gründen stimmten sie, ebenso wie Bündnis 90/Grüne, im Bundestag gegen die AWG-Novellierung. Zu den Kritikern zählt jetzt auch der rheinland-pfälzische Justizminister Peter Caesar (FDP). Es bestehe die Gefahr, so der Minister in einem Brief an die rheinland-pfälzischen Vertreter im Bundesrat, daß sich das Zollkriminalamt neben Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst (BND) und Militärischem Abschirmdienst (MAD) zu einem faktischen Geheimdienst entwickle.

Die Furcht vor der Verquickung von Zollpolizei und Geheimdienst im Schatten der Exportkontrolle ist in der Tat berechtigt. Denn nach Recherchen der taz herrschte schon in der Vergangenheit eine rechtlich mehr als fragwürdige Kungelei zwischen dem Kölner Zollkriminalinstitut (heute Zollkriminalamt) und dem Bundesnachrichtendienst. So gaben die Zollfahnder offenbar die Namen von Firmen und Geschäftsleuten an den BND weiter, die sie wegen zweifelhafter Auslandsgeschäfte im Visier hatten. Die Weitergabe der Daten erfolgte jeweils über die Verbindungsstelle des BND in Düsseldorf. Anfang Dezember 1990 etwa übermittelte der Leiter des AWG-Referats beim Zollkriminalinstitut dem BND „die mir gemeldeten Ermittlungsverfahren des Zollfahndungsdienstes im Außenwirtschaftsbereich für den Monat November 1090 mit der Bitte um Kenntnisnahme“, und zwar unter Bezug auf ein Gespräch mit den Herren S. und F. vom BND wenige Tage zuvor. Das Interesse der Geheimdienstler an solchen Tips liegt auf der Hand: Der Hinweis auf ein möglicherweise drohendes AWG- oder Steuerverfahren förderte schon bei manchem deutschen Geschäftsmann im Ausland die Bereitschaft zu Zuträgerdiensten für die Späher in Pullach. Illegale Waffenexporte wurden dadurch bisher nicht in nenneswertem Umfang verhindert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen