piwik no script img

Wird Rabta-Ankläger „wegbefördert“?

■ Unbequemer Staatsanwalt soll vom Fall Imhausen/Salzgitter abberufen werden / SPD-Fraktion kündigt „unangenehme Fragen“ im Stuttgarter Landtag an / Neue Spuren in der Schweiz

Von Thomas Scheuer

Stuttgart (taz) - Einige Männer in der Chefetage des Salzgitter-Konzerns, womöglich auch in manchem Bonner Büro, werden vermutlich aufatmen: Dem Chefermittler in der Affäre um die Giftgasfabrik im libyschen Rabta, dem Mannheimer Staatsanwalt Hans-Heiko Klein, wollen seine Vorgesetzten den Fall entziehen. Dies geschieht zu einem Zeitpunkt, da BKA -Fahnder von einer Dienstreise in die Schweiz interessante Puzzle-Steinchen mit nach Hause brachten: Bei der Sichtung von beschlagnahmten Unterlagen eines schweizerischen Bankkontos, über das Rabta-Regisseur Jürgen Hippenstiel -Imhausen einen Großteil des giftigen Deals abgewickelt hatte, stießen die Beamten auf neue Namen, weitere Konten sowie umfangreiche Geldströme ins nahe Liechtenstein. Bis zuletzt hatten Imhausen-Anwälte, so wurde der taz in Bern bestätigt, vehement versucht, die Rechtshilfe der Schweizer Behörden zu blockieren.

Die neuen Spuren müssen nun mühsam aufgedröselt werden. Staatsanwalt Klein führt bereits seit Mai letzten Jahres die Ermittlungen gegen ein rundes Dutzend Manager der Firmen Imhausen-Chemie und Salzgitter und gilt als kundigster Anklagevertreter in Sachen Giftgas-Connection. Da sich ein Nachfolger erst zeitaufwendig durch die umfangreichen Aktenberge ackern müßte, würde Kleins Versetzung die weitere Aufklärung der Rabta-Affäre zweifellos erheblich verzögern. Darüber wären jene Beteiligten in Bonn und Salzgitter gewiß nicht unglücklich, die sich schon bisher um die Vertuschung der Hintergründe verdient gemacht haben.

Seit der Verurteilung Hippenstiel-Imhausens rückte nämlich die Rolle des Salzgitter-Konzerns in den Vordergrund. Dessen Ableger Salzgitter Industriebau AG (SIG) lieferte in den Jahren 1985 bis '87 im Auftrag der Imhausen-Chemie wichtige Blaupausen für die Anlage in Rabta. Zu hundert Prozent in Bundeseigentum, unterstand die Firma seinerzeit der direkten Aufsicht durch die Bundesregierung. Bis heute lautet die offizielle Version der Konzernleitung: Die SIG zeichnete lediglich Pläne für ein Arzneimittelwerk „Pharma 150“ in Hongkong; auf Libyen gab es nie Hinweise; Salzgitter wurde von Imhausen getäuscht. Demgegenüber wurde SIG-Manager Böhm im Mannheimer Strafprozeß schwer belastet.

Die Ermittlungen gegen drei mitbeschuldigte SIG-Männer würden nun „zügig“ weitergeführt, erklärte Staatsanwalt Klein noch im Juni, direkt nach der Verurteilung Hippenstiel -Imhausens zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Doch dann wurde es zugig für den Ankläger. Denn seither betreiben seine Vorgesetzten in der Mannheimer Schwerpunkts -Staatsanwaltschaft seine Ablösung.

Den Unmut seiner Chefs erregte Klein, der die Anklageschrift gegen Jürgen Hippenstiel-Imhausen unterzeichnet hatte, weil er während des Prozesses den Kuhhandel zwischen dem Giftgasdealer Hippenstiel-Imhausen, dem Gerichtsvorsitzenden und der Anklagebehörde störte. Prozeßöffentlich opponierte Klein etwa, als sein direkter Vorgesetzter Peter Wechsung mit Gericht und Verteidigung übereingekommen war, als Gegenleistung für Hippenstiel -Imhausens Teilgeständnis das ganze Ausmaß des finanziellen Gewinnes aus dem illegalen Rabta-Geschäft nicht weiter ermitteln und keine neuen Beweismittel beibringen zu wollen. Folge dieser fragwürdigen Kungelei: Die finanziellen Seiten des Wirtschaftskrimis mit dem Aktenzeichen 600 JS 23/89 bleiben teilweise für immer ungelöst. Der dickste Hammer: Weil das Gericht auch die von Klein angestrebte Gewinnabschöpfung nicht verhandeln wollte, bleibt ein Großteil der Millionenbeute aus dem illegalen Giftgasgeschäft auf ausländischen Konten unangetastet. Klein kritisierte zudem in seinem engagierten Plädoyer, die moralische Dimension des Giftgasgeschäftes sei zu kurz gekommen; gegen den „Händler des Todes“ sei verhandelt worden, als habe dieser „ungenehmigt eine Wurstfabrik in die Wüste geliefert“. Nun soll der Ankläger selbst in die Wüste geschickt werden. Auf die moderate Tour.

Zum 1. Oktober soll Klein zum stellvertretenden Abteilungsleiter befördert werden. Behördenleiter und Oberstaatsanwalt Holger Preisendanz begründet die Beförderung mit der hervorragenden Arbeit, die Klein im Fall Imhausen geleistet habe. Gerade deshalb aber findet es der Lahrer SPD-Landtagsabgeordnete Walter Caroli völlig unlogisch, den Rabta-bewährten Ankläger von dem Fall abzuziehen.

Da für die seltsamen Vorgänge in der Mannheimer Staatsanwaltschaft letztlich Justizminister Heinz Eyrich „politisch und juristisch die Verantwortung trägt“, kündigt Caroli „unangenehme Fragen“ seiner Fraktion im Stuttgarter Landtag an. Er will auch wissen, wieso die Anklage zunächst Revision gegen das Imhausen-Urteil einlegte, diese aber am letzten Tag der Frist zurückzog. Wenn sich demnächst der Ständige Ausschuß des Landesparlaments ohnehin mit fragwürdigen Praktiken der baden-württembergischen Justiz im Zusammenhang mit dem Merkle-Parteispendenprozeß befaßt, wollen die Sozialdemokraten auch die „Causa Rabta“ auf den Tisch bringen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen