: „Wir wollten keine Panik“
■ Bombendrohung gegen das Atomkraftwerk Krümmel: Bonn war informiert, Hamburg nicht / Grüne: Anschläge sind möglich Von Marco Carini
Das Kieler Energieministerium bricht sein Schweigen. Nachdem die taz in ihrer gestrigen Ausgabe über eine geheimgehaltene Bombendrohung gegen das Atomkraftwerk Krümmel berichtete, äußerte sich erstmals Energieminister Claus Möller zu dem Erpressungsversuch. Er bestätigte die taz-Informationen, nach denen am 27. Juli ein „Kommando 5. August“ 1,5 Millionen Mark gefordert hatte. Sollte das Geld nicht bis zum 5. August gezahlt werden, hatten die Erpresser gedroht, werde eine Bombe das AKW „in Schutt und Asche“ legen (siehe Dokumentation).
Da die eingeschalteten Sicherheitsbehörden nach Analyse des Erpresserbriefes „die Ernsthaftigkeit der Bedrohung bezweifelt“ hätten, habe das Ministerium davon abgesehen, „die Öffentlichkeit durch frühzeitige Information zu verunsichern“. Möller: „Wir wollten verhindern, daß mögliche Nachahmungstäter ermuntert werden.“ Ministeriumssprecher Klaus Kramer ergänzt: „Wir wollten eine Panik vermeiden“.
Der Erpresserbrief traf am 27. Juli Mai gegen 14.20 Uhr per Post im AKW ein. Die Betreiber informierten daraufhin sofort die Kripo in Geesthacht, das Kieler Kriminalpolizeiamt und das Energieministerium in Kiel. Dieses verständigte noch am selben Tag Bundesumweltminister Töpfer, das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz.
„Wir waren zuerst unsicher, ob es sich um eine reale Bedrohung handelt“, räumt Ministeriumssprecher Klaus Kramer ein. Nachdem aber alle eingeschalteten Sicherheitsorgane der Auffassung waren, daß die Drohung nicht ernst zu nehmen sei, hätten die informierten Behörden Stillschweigen vereinbart. Da die Erpresser sich entgegen ihrer Ankündigung nicht erneut gemeldet hätten, um die Modalitäten der Geldübergabe mitzuteilen, habe „sich gezeigt, daß wir uns richtig verhalten haben“.
In Krümmel nahm man die Bombendrohung offenbar ernster: Noch am 27. Juli wurden die Eingangskontrollen verschärft, die Einfahrt für sämtliche Fahrzeuge verboten und die Materialzufuhr überprüft. Auch die Streifengänge des Wachpersonals in der inneren Sicherheitszone wurden verstärkt, der gesammte Atommeiler bei der Bombensuche auf den Kopf gestellt. Die Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen war mit dem Bundesumweltministerium abgesprochen. Töpfer urteilte: „Ausreichend“.
Während er über die Vorgänge informiert war, wurde die amtliche Schweigepflicht auch gegenüber dem Hamburger Senat eingehalten. Umweltsenator Fritz Vahrenholt wurde erst gestern morgen, nach der Rückkehr aus dem Urlaub und der Veröffentlichung durch die taz, von der Bombendrohung in Kenntnis gesetzt – vier Tage nach Ablauf des Ultimatums. Für Vahrenholt-Sprecher Kai Fabig kein Problem: „Wir sind nicht zuständig, warum hätte man uns informieren sollen“.
Die GAL hingegen kritisiert die amtlich verordnete Schweigewoche scharf: „Wer schweigt, um Panik zu vermeiden, muß dann erst recht eine ernstzunehmende Bedrohung und schwere Unfälle geheimhalten“, kritisierte Bürgerschaftskandidat Alexander Porschke, selbst Mitarbeiter der Umweltbehörde. Die Diskussion über die reale Gefährdung von Atomanlagen durch Anschläge sei wieder einmal „unter dem Deckel eines Bündnisses der Schweiger“ geblieben. Der GAL-Abgeordnete Holger Matthews betonte, Anschläge seien „vorstellbar“. Das Eindringen von Greenpeace-Aktivistinnen in den Sicherheitsbereich des Atomkraftwerks Mühlheim-Kärlich vor wenigen Wochen habe gezeigt, wie einfach das unbefugte Betreten eines Atommeilers sei.
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