piwik no script img

»Wir wollen die Meinungsführerschaft in der Opposition«

■ Die taz sprach mit Uwe Lehmann (IFM), neben Renate Künast neuer Vorsitzender der Bündnis90/Grüne-Frakion INTERVIEW

taz: Wie sehen die inhaltlichen Schwerpunkte der Fraktionsarbeit künftig aus?

Uwe Lehmann: Wir haben auf der Klausurtagung die Schritte der ersten »hundert Tage« besprochen, also etwa bis Ostern — das wurde ja auf der Pressekonferenz erläutert. Für uns bleibt es die generelle Linie für das erste halbe Jahr, die sozialen Probleme der Vereinigung abzufedern.

Spielt für die Ost- Gruppen das klassische Politikfeld der Grünen, die Ökologie, keine Rolle?

Es ist richtig, daß bei den alten Oppositionsbewegungen der DDR die Ökologie immer ein Stiefkind war. Im Prinzip muß das bearbeitet werden. Wir haben uns in der Stadtverordnetenversammlung um ökologischen Stadtumbau in Neubaugebieten gekümmert. Ich glaube aber, daß die Ostberliner jetzt vor allem soziale Probleme bewegen.

Also Arbeitsteilung: Der Osten ist fürs Soziale zuständig, der Westen mehr für Ökologiefragen?

Nein, das wird zusammenwachsen. Irgendwann gibt es kein Ost und West mehr... Wir werden von der AL in Ökologiefragen lernen und sie von uns in sozialen und Arbeitsmarktfragen.

In die Fraktionsvereinbarung kam eine Unterscheidung nach Ossis und Wessis. Wird damit nicht die Zweistaatlichkeit fortgeschrieben?

Das war eines der Haupt-Essentials des Neuen Forums, und wir haben das dringelassen. Der Gedanke war, bei der Vergangenheit von Ex-DDR- Bürgern nicht so zu verfahren wie die anderen Parteien, wo immer eine westliche Mehrheit etwa über die Rehabilitierung von Opfern entscheidet. Wir wollen für den Fall, daß bei den ALern keine große Sensibilisierung vorhanden ist, ein Vetorecht für unsere Seite.

Der Absatz wurde so gelassen, obwohl die NF- Mitglieder der Fraktion nun gar nicht beitreten?

Ja, wir wollen eng mit dem Neuen Forum zusammenarbeiten, und einzelne Abgeordnete können immer bei uns eintreten. Ich persönlich bedauere die Entscheidung, sie spiegelt aber den Zustand vom Bündnis 90 wider: Es ging nur darum, die Fünfprozentklausel zu überspringen.

Diese neue Fraktion ist ein Pilotprojekt. Glauben Sie, daß die Zusammenarbeit klappen wird?

Ja, sonst wäre ich jetzt nicht dafür, eine gemeinsame Fraktion zu bilden.

Ist das die vorweggenommene Vereinigung der Bürgerbewegungen Ost mit den Grünen West?

Die GegnerInnen haben immer gesagt, das sei die Vereinigung von oben. Ich halte das für falsch. Diese Fraktion soll auch ein Zeichen setzen, daß wir in diesem gemeinsamen Bundesland im gleichen Wasser fischen, also die gleichen Politikfelder thematisieren. Wenn diese gemeinsame Fraktion scheitert, war es vermutlich die letzte.

Wie sieht das Verhältnis zur PDS aus? Ziehen da zwei Oppositionsparteien am gleichen Strang?

Wir haben gestern den Slogan entwickel: Wir streben die Meinungsführerschaft in der Opposition an. Die PDS ist für uns eine konkurriende Partei wie alle anderen, und es wird keine Koalitionsfraktion mit der PDS geben. Interview: kd

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen