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■ QuerspalteWir spielen Lady Di

Diana ist tot, begraben. Und Paparazzi gibt es immer noch – das ist der Lauf dieser Welt. Wir Zuschauer waren vor kurzem noch voller Trauer und Empörung, nun werden wir allmählich wieder normal. Wir kaufen wieder Bild und sehen gierig, wie Eros Ramazotti seiner Bikinigeliebten an den gebräunten Hintern grabscht – leider nur ist das Foto etwas unscharf. Auch können wir uns wieder auf den Urlaub ohne Gewissensbisse freuen, wo wir wie früher schielen können auf den nackten Bierbauch in der Brandung, auf den faltigen Opa und auf die hübschen Brüste beim Sonnenbaden. So ist das eben: Die einen schielen jemanden an, die anderen schießen jemanden ab.

Glücklicherweise aber gibt es immer einige wenige, die noch wissen, was Moral ist: der Papst, Bärbel Bohley und ein Häuflein Programmierer der Game Development Group in Amsterdam. Letztere erklären, daß sie „im Gegensatz zu den meisten auf dieser Welt eine tiefe Sympathie für Diana hatten“. Unsere kurzlebige Anteilnahme muß ihnen ein Stich ins Herz sein. Deswegen haben sie das Spiel „Paparazzi“ entwickelt und ins Internet gestellt (http://www.fairgame. org). Spielerisch lernen, so wollen sie uns bekehren. Der Andrang ist groß. Jede Stunde melden sich auf ihrer Internet- Seite 2.000, die runterkommen wollen von ihrer Gier nach Obszönitäten.

Dank der moralischen Programmierer können wir nacherleben, wie sich Diana gefühlt hat, als sie im Gymnastikanzug an der Butterfly-Maschine saß und geknipst wurde. Wir können nacherleben, wie sie sich fühlte, als die Paparazzi-Meute auf Motorrädern hinter ihr herhetzte. „Erleben Sie selbst, was es heißt, ohne Ende verfolgt zu werden. Setzen Sie sich der grausamen Folter des aggressiven Eindringens in ihr Privatleben aus“ – und das kosten- und risikolos. Wir bleiben hinter der Scheibe, verschont von Brückenpfeilern. Wir können den Computer abschalten, und schlagartig wird aus Diana wieder Dieter. Genial und pädagogisch wertvoll. Es darf bloß keinen Spaß machen. Nicol Ljubic

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