: Wir sind geknackt
Meilenstein der Wissenschaft: Das Erbgut des Menschen ist zu 97 Prozent erfasst, aber noch nicht gedeutet. Clinton, Blair und Bulmahn wollen internationale Richtlinien zur Bioethik entwickeln
BERLIN taz ■ „Heute lernen wir die Sprache, mit der Gott das Leben schuf.“ Mit allergrößten Worten begrüßte US-Präsident Bill Clinton gestern in Washington die Entschlüsselung des menschlichen Erbguts. Das internationale Human-Genome-Projekt (HUGO) hat nach eigenen Angaben 97 Prozent der menschlichen Gene decodiert. Beteiligt waren unter anderem die USA, England, Deutschland, Frankreich, Japan und China.
Als „Durchbruch“ feierten auch der Britische Premierminister Tony Blair, Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn und natürlich die beteiligten Wissenschaftler die Verkündigung in London, Berlin und anderen Städten. Das Genom, der Bauplan des Menschen, ist wie das Puzzle eines Geheimplans: Die etwa drei Milliarden Teile sind nun nicht nur gefunden, sondern auch richtig sortiert.
Jetzt fehlt noch die Deutung der Hieroglyphen: Ein nicht unerheblicher Umstand, denn bis es etwa zur Entwicklung neuer Medikamente kommt, können noch 15 bis 30 Jahre vergehen, sagte Andre Rosenthal vom Institut für Molekulare Biotechnologie in Jena.
HUGO ist ein Verbund staatlicher Forschungsstellen. Sie traten in Washington zusammen mit ihrem bisher größten Konkurrenten, der Privatfirma Celera Genomics, vor die Presse – und zwar im Weißen Haus, mit Beteiligung Bill Clintons. Celera hat die staatlichen Forschungsstellen überholt und offenbar schon viele Patente auf das Genom angemeldet. Aus Clintons Wunsch, dass alle Erkenntnisse sofort der ganzen Welt zugänglich würden, wird bis zum Herbst jedenfalls nichts: Bis dahin, sagte Celera-Chef Craig Venter gestern, seien seine Informationen für zahlende Kunden reserviert.
Bildungsministerin Bulmahn erklärte, die Mittel für diese Forschung seien im Haushalt 2001 gegenüber dem Vorjahr um die Hälfte erhöht worden. In den kommenden vier Jahren kämen 270 Millionen Mark an Projektmitteln plus 240 Millionen pro Jahr von Bund und Ländern. Die Forscher fordern allerdings eine Milliarde Mark pro Jahr.
Die Grünen verlangten gestern, die Zeit bis zu ersten Anwendungen zu nutzen, um „die Chancen und Risiken“ zu überprüfen. „Die Gefahren des Missbrauchs sind zahlreich“, sagte die grüne Abgeordnete Monika Knoche. Forschungsministerin Bulmahn versprach, internationale Regeln schaffen zu wollen, die einen „verantwortungsvollen Umgang“ mit dem Erbgut sicherten. Clinton und Blair versprachen gestern, die ethischen Fragen der Nutzung der Genom-Karte international zu verabreden.
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