■ Wir bauen die Hauptstadt: „Für den Fischer reicht's allemal“
Arno Frey, 57 Jahre. „Eigentlich fühlen wir Trockenbauer uns hier auf der Baustelle sehr wohl. Aber wir haben Probleme mit unseren ausländischen Kollegen, die die Preise drücken. Es gibt leider nicht ausreichend Kontrollen von Schwarzarbeit, die werden ständig umgangen. Wir haben doch unsere teuren Mieten zu bezahlen. Die Kosten laufen schließlich weiter. Auf der anderen Seite hat man uns ja alles mögliche, wie die Berlinzulage, gestrichen. Mit dem deutschen Bauhandwerk geht es rein zahlenmäßig bergab. Unsere größten Konkurrenten sind die Arbeiter, die aus Osteuropa kommen. Viele arbeiten für drei oder fünf Mark schwarz. Aber es ist sehr schwer, das zu beweisen. Unsere Minister sagen zwar immer, daß sie sich bei den Bundesbaustellen bemühen, daß alles ordentlich läuft. Es ist aber nicht so. Das wirkt sich auch auf die Stimmung untereinander und gegenüber den ausländischen Kollegen aus. Normalerweise würde man die ausländischen Kollegen am liebsten loswerden. Aber aus humanitären Gründen... na ja, das kann man nicht machen. Und unser Staat sagt immer wieder, wir sollen uns unserer ausländischen Kollegen annehmen. Aber ich finde, die sollen sich unserer Preise annnehmen, also sich anpassen. Ich habe immer mit allen möglichen Nationalitäten zusammengearbeitet. Habe gute ausländische Freunde. Aber die Massen, die seit der Wende nach Deutschland hereinströmen, das kann der Arbeitsmarkt nicht verkraften. Ich habe jahrelang in der Gewerkschaft für stabile Preise gekämpft, und heute tritt man uns in den Hintern. Ich selbst bin seit 1962 in Berlin. Ich komme aus dem Taunus. Ich bin gekommen, um die Stadt aufzubauen. Grundsätzlich fühle ich mich hier wohl. Ich habe die Großstadt schon immer gemocht, ich mag Menschen, Menschen aller Nationalitäten. Ich bedaure, daß unsere Alliierten nicht mehr in Berlin sind. Berlin symbolisiert für mich Leben, Freude, Harmonie. In diesem Bau schlägt sich das aber nicht nieder. Ich habe schon schönere Baustellen gesehen. Aber für den Fischer reicht's allemal.“
Das Auswärtige Amt zieht im September dieses Jahres in die ehemalige Reichsbank am Werderschen Markt. Die drei Tiefgeschosse des zwischen 1934 und 1939 gebauten Hauses bestanden aus massivem Stahlbeton und beherbergten die mit modernster Technik ausgestatteten Tresoranlagen der Reichsbank mit den Gold und Devisenreserven. 1949 zog das Finanzministerium der DDR ein, später beherbergte der Komplex das Zentralkomitee der DDR. Als Sieger aus dem Architektenwettbewerb für den Erweiterungsbau des Außenministeriums an der Französischen Straße ging 1996 der Schweizer Architekt Max Dudler hervor. Weil der den Bonnern nicht gefiel, wird der Neubau nun nach den Entwürfen der Architekten Thomas Müller und Ivan Reimann gebaut. Die Projektkosten werden rund 545 Millionen Mark betragen. Annette Rollmann
wird fortgesetzt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen