■ Wir bauen die Hauptstadt: Erasco aus der Büchse
Enno Völkel, 27 Jahre: Das ist hier eine ganz normale Baustelle: Groß, dreckig, kalt und naß. Wir machen die sanitären Anlagen hier. Wenn man hier im zukünftigen Bundesverteidigungsministerium steht, na ja, dann denkt man auch an den Krieg. Daß da immer mit grober Gewalt eingegriffen werden muß, das verstehe ich nicht.
Bei mir ist es ja sowieso komisch: Ich war vier Wochen in der Nationalen Volksarmee und den Rest der Zeit in der Bundeswehr. Bei der NVA hat sich zu dem Zeitpunkt keiner mehr Mühe gegeben. Aber früher soll es dort wahnsinnig streng gewesen sein. Als ich dann gezogen wurde, war ich stolz, daß ich nicht mehr nur in der NVA diente, sondern auch in der Bundeswehr. Das war reizvoll. Da war alles schön und neu. In meiner Familie war ich der erste, der in der Bundeswehr war. Die anderen können nur die alten Geschichten erzählen. Ich hingegen hatte schon das Neue drauf.
Hier arbeiten wir wie woanders auch. Jeden Abend fahren wir in eine Wohnung, die wir in Berlin gemietet haben. Jeder hat sein eigenes Schlafgemach. Zu viert ein Bad, eine Küche. Zusammen kochen? Nein, jeder kocht seins. Bei mir gibt's immer Erasco aus der Büchse. Aber einen haben wir in der Wohnung, der kocht sich jeden Abend seine Suppe frisch. Der schält sich seine Kartoffeln, setzt eine Brühe an. Wir anderen müssen dann zusehen, daß wir überhaupt an den Herd rankommen. Am Wochenende fahre ich immer nach Hause, nach Schwerin. Da kocht Muttern, wat ich will.
Jeden Freitag abend gehen wir mit der Brigade bowlen. Die ganze Truppe, die während der Woche hier ist, und die anderen, die in Schwerin geblieben sind, alle zusammen. Manchmal ist das wie die engste Familie. Einer macht sich über den anderen lustig.
Das Bundesministerium für Verteidigung richtet in Berlin im Bendlerblock seinen zweiten Dienstsitz ein. Der fünfgeschossige Bau am Landwehrkanal mit seiner repräsentativen Hauptfassade entstand zwischen 1911 und 1914 als Reichsmarineamt. Nach dem Ersten Weltkrieg residierte hier das Reichswehrministerium. Der Bendlerblock war auch Zentrale der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944, von denen vier im Hof standrechtlich erschossen wurden. Die Projektkosten zur Sanierung des Altbaus und der Errichtung von neuen Wachhäuschen wird rund 107 Millionen Mark kosten. Annette Rollmann
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