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Winterzeit: Endlich wieder richtig ticken

Zweimal jährlich sorgt die Zeitumstellung für Gesprächsstoff, Medienresonanz und hier und da auch für Unmut. Anlass genug, sich diesem Phänomen wissenschaftlich zu nähern

Von Anna Löhlein

Schon seit mehr als einem Jahrhundert stellen wir unsere Uhren um (übrigens nicht die Zeit!). Mal eine Stunde vor, dann wieder eine Stunde zurück. Seit Ende Oktober wird es wieder später hell und früher dunkel. Dabei gehen die Uhren während der Winterzeit nicht nach, sondern sie ticken im Einklang mit unserer inneren Uhr. Denn die Winterzeit, ist unsere natürliche Zeit: Steht die Sonne mittags im Süden, ist es zwölf Uhr. Die Sommerzeit dagegen verschiebt unseren Tagesrhythmus künstlich. Auf ihrer Jahrestagung Ende November in Hannover diskutieren Expertinnen und Experten der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) die „Zeitumstellung – Sommerzeit aus chronobiologischer und epidemiologischer Sicht“ und die Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Thomas C. Erren, Direktor am Institut und Poliklinik für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin und Präventionsforschung der Universität zu Köln, wertete mit seinem Team 149 Studien aus 36 Ländern aus. Demnach kann der Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit sowohl positive als auch negative Effekte haben. So weisen die Studien etwa „darauf hin, dass die Umstellung auf Sommerzeit das Risiko tödlicher Verkehrsunfälle erhöhen, aber die Zahl der Straftaten mit Körperverletzung verringern kann. Im Gegensatz dazu geht die Umstellung auf Winterzeit mit einem Rückgang der Gesamtsterblichkeit, der tödlichen Verkehrsunfälle und der Arbeitsunfälle einher, aber auch mit einem Anstieg der Straftaten mit Körperverletzung.“ In der Gesamtschau seien die Effekte der Zeitumstellungen auf Gesundheit und Krankheit jedoch nicht ausreichend verstanden, so der Forscher.

Im Frühjahr müde? Vielleicht liegt es an der Sommerzeit

Doch eines scheint immer klar, die Sommerzeit tut dem Schlaf nicht gut! Das bestätigt eine neue deutsche Studie mit 60.000 Teilnehmenden, die die Schlafforscherin Eva Winnebeck, Assistenzprofessorin an der Universität von Surrey (Großbritannien), ausgewertet hat. Diese ergab, dass es viele Menschen über die Sommermonate nicht schaffen, sich vollständig an die Zeitverschiebung anzupassen – ihre Schlafdauer „hinkt“ im Schnitt zehn Minuten hinterher. Der Mechanismus dahinter lässt sich chronobiologisch, also mit Blick auf unsere innere Zeitstruktur, erklären: Unser Körper folgt sogenannten circadianen Rhythmen, Zyklen von etwa 24 Stunden Dauer, die durch Licht und Dunkelheit (Lichtsignale) gesteuert werden. Klingelt der Wecker nun von heute auf morgen eine Stunde früher, gerät diese fein abgestimmte innere Uhr durcheinander. „Die Sommerzeit greift empfindlich in das tägliche Lichtsignal ein“, so Winnebeck. Während die frühe Helligkeit im Hochsommer den Effekt noch ausgleicht, fehlt besonders im Frühjahr und Herbst das Morgenlicht – und damit der Impuls für den Körper, rechtzeitig wach zu werden. So empfinden viele gerade im März eine ganz besondere Frühjahrsmüdigkeit. Zwar hängen die genauen Auswirkungen der Sommerzeit stark von individuellen und regionalen Faktoren ab, laut Winnebeck deuten jedoch „immer mehr Studien stark darauf hin, dass die Abschaffung der Sommerzeit eine einfache, gesellschaftliche Maßnahme sein könnte, um für viele einen besseren und gesünderen Schlaf zu ermöglichen.“ In diesem Sinne: Genießen wir die Winterzeit!

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