Wintertransfers in Wolfsburg: Leicht verspätete Giftpfeile
Der abgekanzelte Bernd Schuster klagt über das Geschäftsgebaren von Wolfsburgs Manager Klaus Allofs. Der stellt indes seinen ersten Großeinkauf vor.
BELEK taz | Jeden Morgen um fünf Uhr klingelt der Wecker. Auch an der Türkischen Riviera ist dann noch tiefste Nacht, aber Dieter Hecking kann es sich nicht erlauben, in der feudalen Fünf-Sterne-Herberge in unmittelbarer Strandnähe zu lange zu schlafen. Dreimal am Tag für je zwei Stunden gilt es, das operierte linke Knie mittels einer Motorschiene in Bewegung zu halten.
Aus seiner Suite hat der Neu-Trainer des VfL Wolfsburg am Sonntag einen herrlichen Sonnenaufgang bei wolkenlosem Himmel erlebt. Bei der Ankunft am Freitag war das noch ganz anders gewesen, denn da peitschte heftiger Regen an die Fensterscheiben der Hotelfenster.
Doch die Prognose für die kommenden Tage ist prächtig. Vielleicht erklärt das milde Winterklima auch, warum sich Hecking und sein Partner Klaus Allofs so gut gelaunt auf dem bestens präparierten Gelände des Calista-Resorts bewegen.
Der eine (Hecking) beaufsichtigt meist mit verschränkten Armen die fast zweistündigen Trainingseinheiten, der andere (Allofs) führt unterdessen seine Dauertelefonate. Natürlich hat der neue VfL-Geschäftsführer Allofs dabei mitbekommen, dass ihm sein Beinahe-Trainer Bernd Schuster am liebsten direkt einige Gewitterwolken senden würde.
Verschmähter Schuster mächtig enttäuscht
Schuster hat leicht verspätet heftige Breitseiten wegen seiner geplatzten Verpflichtung losgelassen. „Im Nachhinein muss ich sagen, dass dort nicht mit offenen Karten gespielt worden ist“, zürnte er in der Welt am Sonntag, mächtig enttäuscht von seinem Mitstreiter aus der Nationalmannschaft beim EM-Gewinn 1980.
Der arbeitslose Fußballlehrer schilderte, er habe am 20. Dezember schon auf dem Flughafen in München gestanden, „meine Koffer waren schon im Flieger, und ich stand mit meiner Bordkarte davor, als ich einen Anruf bekam und das Treffen abgeblasen wurde. Ohne Begründung.“ Schuster behauptete beleidigt, man hätte alles regeln können. Allofs habe ein falsches Spiel betrieben und nicht einmal ein klärendes Gespräch gesucht.
Die Replik des Beschuldigten aus Belek ließ nicht lange auf sich warten. „Für mich ist die Sache klar, denn es ist normal, dass ein Verein bei einer Trainersuche einige Optionen verfolgt und Dinge parallel erledigt“, so Allofs. Natürlich, Schuster sei ein ernsthafter Kandidat gewesen, „aber dann gab es einen Zeitpunkt, wo wir ’Stopp!‘ gesagt haben.“ Die Aufregung könne er nur bedingt verstehen, „ich habe erst mit dem Berater und dann am nächsten Morgen mit Bernd telefoniert“.
Damit wollte es der um Versöhnung bemühte Wolfsburger Strippenzieher aber auch bewenden lassen, um flugs über seinen ersten Spielertransfer zu sprechen. Denn nach dem Mittagessen im Mannschaftshotel wurde wieder einmal ein Millionenmann vorgestellt: gestatten, Ivan Perisic von Borussia Dortmund. Knapp acht Millionen Euro soll der 23-Jährige kosten – recht viel Geld für einen, der in 42 Bundesligaspielen zwar neun teils hübsche Tore erzielte, sich aber nie als echter Stammspieler fühlen durfte.
Interne kroatische Rochade
Hecking und Allofs wollen in dem unzufriedenen BVB-Edelreservisten „ganz viel Qualität“ erkennen, „das ist ein Spieler, der uns richtig helfen kann“ (Allofs). Der offensive Mittelfeldmann bringt eine interne kroatische Rochade in Gang. Sein Landsmann Ivica Olic („Ich bin Stürmer und nicht Mittelfeldspieler“) darf nun mutmaßlich auf seiner Lieblingsposition ran, Srdjan Lakic wird als designierter Stürmer Nummer vier (hinter Bas Dost und dem bald genesenen Patrick Helmes) damit endgültig ziemlich überflüssig.
Wobei Hecking, mit dem sich Allofs nach jedem Training im Mittelkreis so vertieft und vertraut unterhält wie einst an selber Stelle mit Thomas Schaaf, bewusst 31 Profis in die Türkei hat fliegen lassen, um möglicherweise noch Fähigkeiten an Fußballern zu entdecken, die einst Felix Magath vielleicht entgingen. „Jeder soll hier eine reelle Chance bekommen“, verkündet Allofs. „Wir werden bestimmt nicht herausposaunen, wir müssen Spieler loswerden.“ Oder herumpoltern wie Bernd Schuster.
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