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Windtunnel im SelbstversuchMal total abheben

Schon geil: Fliegen ist gar nicht so leicht, wie es aussieht. Unser Autor muss das im gläsernen Windtunnel in Schönefeld feststellen.

taz-Autoren sind gar nicht so abgehoben – selbst wenn das eigentlich der Plan wäre Foto: André Wunstorf

Berlin taz | Eigentlich sollten hier ganz tief unten im Berliner Süden inzwischen Straßenbahnen bis zum Willy-Brandt-Flughafen fahren, damit Menschen von dort aus – im besten Fall – ihren wohlverdienten Urlaub am BER antreten können. Stattdessen ist an der vorletzten Station vor dem Flughafen nur ein großes Schild, das nicht verrät, wo man sich befindet. Aber auch wenn der neue Flughafen noch nicht fertig ist, kann man hier, etwa 300 Meter von der Haltestelle Waßmannsdorf entfernt, schon abheben.

Denn schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite steht die Hurricane Factory. In einem unscheinbaren grau-roten Gebäude, das an einer Landstraße liegt, an der Kühe grasen, befindet sich der größte Windtunnel Deutschlands. Der XXL-Windtunnel. Und dort sitze ich nun, ein paar Tage nachdem ich einen Termin vereinbart habe. Die Vorfreude ist inzwischen einem mulmigen Gefühl gewichen.

„Wo ist denn der XXL-Windtunnel?“, frage ich an der Anmeldung. „Direkt hinter Ihnen“, erwidert die Dame an der Rezeption freundlich.

Da, wo sie dabei hindeutet, reckt sich ein kolossaler Glastunnel mitten im Raum senkrecht nach oben. Wie ich später erfahre, wird er von insgesamt sechs Turbinen angetrieben, die durchschnittliche Power einer Turbine erreicht fast 400 PS. Der Durchmesser des Tunnels ­beträgt 5,5 Meter, die Höhe 6 Meter.

Tunnelförmige Angst

Was im ersten Moment nicht viel klingt, entlockt mir doch ein kleines „Wow“. Ich setze mich auf eine Sitzbank gegenüber, weil mir versprochen wird, dass gleich ein paar Sportflieger ihr Aufwärmtraining in dem Tunnel absolvieren. Insgeheim hoffe ich, dass ich mir ein paar Tricks abgucken kann. Ähnlich ehrfürchtig wie ich laufen zwei ältere Damen am Tunnel vorbei. „Wir wollen gar nicht fliegen!“, versichern sie auf Nachfrage eines Mitarbeiters. Stattdessen nehmen sie im Café Platz und begutachten das Mittagsmenü.

Und während sie vermutlich darüber nachdenken, was sie bestellen möchten, sitze ich vor der gestaltgewordenen Angst namens XXL-Windtunnel und bewerte vor meinem geistigen Auge alle möglichen Ausreden, die mir durch den Kopf schießen, nach ihrer Glaubwürdigkeit – Kopfschmerzen oder vielleicht doch ein Magenvirus?

Ich sitze vor dem XXL-Windtunnel und suche nach glaubwürdigen Ausreden

Aber gerade, als ich mich für chronische Migräne entscheide, nähert sich mir der Mann, der in der nächsten Stunde über mein Leben entscheiden wird. „Hey, ich bin der Basti!“, sagt er mit einem freundlichen Lächeln. Er trägt eine rote Cap, sein schwarzer Plastikanzug für den Windtunnel baumelt lässig an seinen Hüften. Basti Robak heißt er mit vollem Namen. Seit einem Jahr arbeitet er in der Hurricane Factory und ist auch noch Fallschirmspringer.

„Du gehst dich jetzt mal umziehen, und dann zeige ich dir, wie du dich in dem Windtunnel bewegen musst.“ Ein paar Minuten später sitze ich beinahe bewegungsunfähig in dem gleichen schwarzen Plastikanzug – Basti hat mir versichert, dass der möglichst eng anliegen muss – vor meinem Trainer, der bäuchlings auf einem kleinen schwarzen Hocker vor mir liegt, und lasse mir erklären, wie ich mich im Windtunnel zu bewegen habe: „Die Arme immer schön im 90-Grad-Abstand vom Körper halten, die Hände zeigen nach unten, der Kopf nach oben, und bloß nicht hektisch werden, sonst verlierst du die Kontrolle.“ Basti streckt die Füße nach oben: „Die Hüfte nach unten, die Beine leicht angewinkelt ausstrecken.“ Kann ja so schwer nicht sein, denke ich. Später werde ich alles falsch machen.

Doch zunächst sitze ich nach meiner Instruktion etwas selbstsicherer erneut vor dem Windtunnel. Die beiden älteren Damen sind inzwischen beim Kuchen angekommen. Aus dem Kommandoraum signalisiert mir Basti, zu ihm zu kommen. Ich ziehe zur Sicherheit noch einmal die Schnürsenkel an meinen Schuhen fest. Bevor ich in den Vorraum des Windtunnels treten darf, muss ich Schutzbrille und Schutzhelm aufsetzen. Kurz danach halte ich zaghaft meine Hand in den Luftstrom im Tunnel – wie ein Fallschirmspringer, der sich nicht traut zu springen. Dann, plötzlich, ergriffen von einer Mischung aus Tapferkeit und dem auffordernden Blick Bastis, traue ich mich doch. Vergessen sind die Kopfschmerzen und das Magenvirus. Ein Schritt in den Tunnel hinein, und ich schwebe.

Fliegen nur mit Körperspannung

Mich in die richtige Flugposition zu begeben, die mir vorher so anschaulich erklärt wurde, versuche ich jedoch vergeblich. Einen Moment später befinde ich mich schon mit dem Rücken zum Wind. Basti packt mich kurzerhand am Anzug und versucht mir dabei zu helfen, die richtige Position wiederzufinden. Immer wieder macht er mir Zeichen, wie ich meine Position verbessern könne. Ich versuche nachzumachen, was er mir zeigt, scheitere aber kläglich.

Und während ich immer hektischer werde, ist der erste der jeweils anderthalbminütigen Flugversuche schon vorbei. Ich werde zurück zum Ausgang bugsiert, packe fest zu und lasse mich nach draußen plumpsen. „Sorry!“, rufe ich in Richtung Basti. Als Antwort erhalte ich ein „Daumen hoch“ und die Erklärung, ich müsse Körperspannung aufbauen, um meine Flugposition halten zu können.

„Beim zweiten Eintritt in den Tunnel“, hat Basti mir bereits vorher erklärt, „werde ich mit dir Taxi fahren.“ Das heißt, dass er mit mir zusammen im Windtunnel schnell von oben nach unten rast. Ich bin nach der ersten Runde eher skeptisch, ob ich wirklich den nächsten Schritt wagen soll.

Doch der zweite Einstieg in den Tunnel klappt etwas geschmeidiger. Basti packt mich an der Schulter und den Beinen, und noch bevor ich reagieren kann, sausen wir nach oben und schon wieder nach unten.

Zum Glück, denke ich, hast du nichts gesagt. Denn es ist atemberaubend. Okay, atemberaubend und anstrengend, Ehrfurcht und Adrenalin. Ich habe das Gefühl, auf einer riesigen Achterbahn zu sitzen. Etwa dreimal machen wir das, und dann ist auch die zweite Flugrunde vorbei. Langsam trete ich nach draußen, meine Beine fühlen sich an wie Pudding. „Geil“, sage ich, und Basti streckt seine Hand zum High Five aus. Trotzdem bin ich froh, aus dem Plastikanzug herauszukönnen. „Wenn du magst“, sagt Basti noch, „können wir noch mal in den Tunnel.“ Ich lehne dankend ab. Ich brauche jetzt auch erst mal Kuchen.

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