Windparks als Fisch-Gehege: Massentierhaltung im Meeres-Windpark
Forschungsinstitut in Bremerhaven untersucht, wie Aquakulturen die Nachfrage nach Meeresfrüchten bedienen könnten, ohne der Umwelt zu schaden. Naturschützer sind skeptisch.
HAMBURG taz | Windparks auf See könnten einmal zu riesigen Fisch-Gehegen werden. Ob diese Idee etwas taugt, prüft seit Mittwoch das neue Zentrum für Aquakulturforschung (ZAF) in Bremerhaven. Die Forscher wollen herausfinden, wie sich Aquakulturen effizient und umweltverträglich betreiben lassen.
Dazu experimentieren sie mit der Fischzucht im Meer unter Laborbedingungen. Naturschützer räumen ein, dass Aquakulturen eine immer größere Rolle spielen, warnen aber vor den Gefahren, die von der Massentierhaltung auf See ausgehen können.
Der Appetit auf Fisch hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. 90 Millionen Tonnen werden nach Schätzung der Welternährungsorganisation (FAO) jährlich verspeist, davon 1,3 Millionen in Deutschland. Diese Nachfrage ist mit Wildfängen schwer zu decken.
Bereits die Hälfte des Speisefischs stammt daher aus Aquakulturen, also Fischfarmen. Kein Zweig der tierischen Nahrungsproduktion wächst so schnell. "Aquakulturen haben eine rasant wachsende Bedeutung für die Versorgung der Weltbevölkerung mit Fisch", sagt ZAF-Leiter Adrian Bischoff-Lang.
Allerdings kann diese Art der Tierhaltung selbst in der scheinbar endlosen Weite des Meeres zu Problemen führen. In rücksichtslos geführten Anlagen vergiftet und überdüngt der Kot der vielen Tiere das Wasser.
17,5 Kilo Fisch pro Kopf und Jahr verspeisen die Deutschen. 80 Prozent davon kommen aus dem Ausland.
Überfischung: Die Umweltstiftung WWF bewertet drei Viertel der Bestände unter Berufung auf Angaben der EU als überfischt. Das heißt, mit der gegenwärtigen Praxis ist hier keine auf Dauer auskömmliche Fischerei möglich.
Aquakultur: Das Züchten von Fisch kann eine Alternative zum Wildfang sein. Doch auch hier sollte beim Einkauf darauf geachtet werden, dass Umweltstandards eingehalten werden. Der WWF und Greenpeace bieten mit Einkaufsführern Orientierung.
Auf engsten Raum gepfercht, werden sie mit großen Mengen von Medikamenten gesund gehalten, die zum Teil im Wasser landen und Resistenzen befördern.
Mit diesen und ähnlichen Problemen wird sich das ZAF auseinandersetzen. Das neue Zentrum ist Teil des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) sowie des Instituts für marine Ressourcen Imare an der Hochschule Bremerhaven.
Die Forscher haben drei großen Kreislaufanlagen gebaut, in denen selbst gesalzenes "Meerwasser" zirkuliert. "Damit können wir die natürlichen Verhältnisse im offenen Meer simulieren", erläutert Bischoff-Lang.
Er und seine KollegInnen können unter kontrollierten Bedingungen untersuchen, wie der Umwelteinfluss solcher Anlagen zu minimieren wären, wie Zuchtfische möglichst ohne Einsatz von Medikamenten vor Krankheiten geschützt und wie sie am besten gefüttert werden können.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium fördert derlei Innovationen, um die "Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Aquakulturproduktion" zu verbessern. Besonders interessiert zeigt sich das Ministerium in seiner Förderrichtlinie unter anderem an neuen Tierarten, die gezüchtet werden könnten, daran, Fischmehl im Futter durch pflanzliches Eiweiß zu ersetzen sowie an der "Erschließung neuer Standorte durch technische Lösungen und Konzepte betriebswirtschaftlicher Kooperationen".
Ein möglicher Standort sind Offshore-Windparks. Zwischen den Anlagen ließen sich Netze spannen, um die Fische beieinander zu halten. Die Infrastruktur, die nötig ist, um die Windkraftanlagen zu warten, könnte auch genutzt werden, um die Fische zu versorgen.
Henning von Nordheim vom Bundesamt für Naturschutz sieht das allerdings kritisch. "Das würde den Industriepark-Charakter von Windkraftanlagen noch verfestigen", sagt er. "Wenn eine Nutzung nach der anderen hinzugefügt wird, kann es eng werden", findet auch Heike Vesper von der Umweltstiftung WWF.
Wie Nordheim warnt Vesper davor, in den Fischfarmen Arten zu züchten, die nicht heimisch sind. Die ZAF-Wissenschaftler wollen mit der Japanischen Flunder experimentieren. Die Art gehört in Asien zu den gefragtesten Zuchtfischen. "Mit ihrem Fleisch und dem Geschmack zwischen Heilbutt und Steinbutt ist sie auch für den europäischen Markt hoch interessant", sagt Bischoff-Lang.
Vesper befürchtet, dass die Fische ausbrechen und das Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen könnten. "Eingeschleppte Arten können sich mit einer hohen Dynamik entwickeln", gibt sie zu bedenken. Dazu komme, dass durch den Besatz Krankheiten eingeschleppt werden könnten.
Vesper räumt ein: "An Aquakulturen kommt man nicht mehr vorbei." Anlagen im offenen Meer sind für sie aber nicht der richtige Weg. "Der Trend geht zu Rezirkulationsanlagen", findet sie. Das wäre das, was das ZAF im Labor hat - nur in groß.
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