: Wind unter den Flügeln
■ Gutachten:Gutes Potential für Windstrom in Bremen / Höchstens 4%-Anteil
In zehn Jahren könnten 20 Prozent des Stroms in den Bremer Haushalten aus sanfter Energie kommen. Wasser und Wind sollen diesen Strom erzeugen: Die Kapazitäten des geplanten Weserkraftwerks zusammen mit dem Ertrag aus möglichen Windenergienalagen in Bremen und Bremerhaven könnten so nach Planungen der Umweltbehörde einen Teil der konventionellen Kraftwerke ersetzen. Diese Vorstellungen der „Landesenergieplanung“ untermauert jetzt ein Gutachten zur Windenergie in Bremen. „Windkraft hat in Bremen die besten Karten aller regnerativen Energiequellen“, heißt es von der Umweltbehörde.
Das Gutachten, die „Windpotentialanalyse für das Land Bremen“, sorgt für einen Überblick über mögliche Stromerzeugung per Windmühle im Lande. Die Ergebnisse, die derzeit in der Behörde diskutiert werden, wecken beim Umweltsenator freudige Erwartung: Denn während noch 1988 Vorstudien des Bremer Energiebeirates von 12 bis maximal 26 Megawatt Windleistung ausgingen, bestätigen die Gutachter 1993 ein Potential von 60 bis 80 MW.
Bislang mahlen auf Bremer Boden 25 Windenergieanlagen (WEA), die 13.000 Megawattstunden (MWh) im Jahr erzeugen. Der Bau von Windanlagen wird vom Land mit bis zu einem Drittel der Baukosten unterstützt, für die nächsten zehn Jahre will die Umweltverwaltung jährlich knapp 3 Mio Mark an Zuschüssen vergeben. Das neue Gutachten hat nun alle möglichen Standorte in Bremen und Bremerhaven unter die Lupe genommen und das Potential errechnet: Bei einer Anlagenleistung von durchschnittlich 500 kW und einem Potential von 76 Anlagen in Bremen und 32 Anlagen in Bremerhaven kommen die Gutachter zu einem Gesamtpotential von 52.000 MWh für Bremen und 38.000 MWh für Bremerhaven. Da die Gutachter von einer Realisierungsquote von 60 Prozent ausgehen ( nicht alle Standorte sind technisch machbar oder wirtschaftlich finanzierbar), kommen sie auf 30.000 MWh für Bremen und 20.000 MWh für Bremerhaven. Daraus wiederum errechnen sie einen Anteil von Windstrom am allgemeinen Stromverbrauch von 0,8 Prozent für Bremen und 4 Prozent für Bremerhaven.
Das klingt wenig. Doch der Bremer Strom wird nur zu einem Drittel von den Haushalten verbraucht: Jeweils ein weiteres Drittel teilen sich das Gewerbe und die „eisenverarbeitende Industrie“ – sprich: Klöckner. Mit Blick auf die Haushalte und von dem Hintergrund der CO2-Reduktion lohnt sich Windkraft also durchaus, meint Gero Immel von der Energieleiststelle beim Umweltsenator: „Energie aus dem Weserkraftwerk läßt sich etwas günstiger herstellen als aus Windkraft. Aber man kann eben kein zweites Weserkraftwerk bauen. Und Wärmedämmung ist auch nicht billiger.“ Unter Einsatz aller regenerativen Energien könnten jährlich 150.000 Tonnen CO2 weniger in die Luft geblasen werden: „Ein solcher Schritt wäre für ein städtisches Ballungsgebiet beispielgebend“ heißt es im Energieprogramm. Doch die Reduzierung läge nur bei knapp einem Prozent.
Nach Aussagen des Windpotentialgutachtens sind im Bremer Stadtgebiet die besten Standorte für WEA gemessen an der Windstärke der Rekumer Berg, die Rekumer Marsch und bei Moorlosen Kirche. Doch guter Wind allein genügt nicht für eine rentable Windanlage, Erreichbarkeit für Aufstellung und vor allem Entfernung zum Netzanschluß sind wichtig. Deshalb sieht die Hitliste der geprüften Anlagen beim Preis-Leistungs-Verhältnis anders aus: ganz vorne steht hier der Standort Moorlosen Kirche vor dem Klöckner-Gelände, Rekumer Berg und Rekumer Marsch.
Die flächenweise Nutzung der Windkraft ist allerdings nicht unumstritten: Für die Naturschützer ist sie nämlich nicht nur eine sanfte Energiequelle, sondern oft auch ein Stein des Anstoßes. Denn die mahlenden Rotoren der Windanlagen können Vögel töten (“Vogelschlag“) oder ihnen die Brut- und Rastflächen vermiesen. Außerdem wird von Landschaftschützern der Anblick der 40 Meter hohen Windflügel bemängelt. Das senatorische Gutachten widerspricht beiden Einstellungen.
„Grundsätzlich sind wir für die Windenergie, aber man muß genau hinsehen, wo man die Anlagen hinstellt“, sagt Bernd Langer vom BUND. Er zitiert ein Gutachten, wonach Brutvögel von den Anlagen nicht beeinflußt würden, wohl aber Rastplätze für Zugvögel verloren gingen, „und von denen haben wir nicht mehr viele“. Mehr Augenmaß zahle sich sogar manchmal aus: „Die Windanlagen im Bremerhavener Fischereihaven, um die es im letzten Jahr großen Streit gab, weil sie mitten in einem Rastplatz für Säbelschnäbler gebaut wurden, arbeiten nach Auskunft der Behörde inzwischen mit Verlust.“
In Bremen, so der Naturschützer, werde es aber zu diesen Konflikten kaum kommen. Das Gutachten sei eben sehr vorsichtig mit den Belangen des Natur- und Vogelschutzes umgegangen ist, heißt es aus der Behörde. „Richtigen Krach“ prohezeit Bernd Langer der Behörde allerdings für den Fall der Bebauung der Luneplate: Wo jetzt 10 WEA geplant sind, schwärmt Gero Immel, könnten auf „exzellenter Fläche“ 100 Anlagen Windstrom erzeugen. Bernhard Pötter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen