Willy-Brandt-Zentrum: Schließung verhindert
Im Brandt-Zentrum lief alles gut. Bis der EU-skeptische Uni-Rektor die Kooperation verweigerte und mit Entlassungen drohte. Weltweite Proteste verhinderten die Schließung.
BRESLAU taz Dass ein Universitätsrektor den Ruf seiner eigenen Alma Mater ruiniert, ist selten. Aber es kommt vor. Im niederschlesischen Breslau in Polen wollte Professor Leszek Pacholski das renommierte Willy-Brandt-Zentrum schließen, weil es angeblich "zu schlecht" arbeite. Alle Mitarbeiter, von den Wissenschaftlern bis zur Sekretärin und dem Buchhalter, sollten entlassen werden. Dabei hatten sich zuvor sowohl der Universitätssenat als auch der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) für die Fortexistenz des noch jungen Zentrums für Deutschland- und Europastudien ausgesprochen.
Vor fünf Jahren erst hatten der DAAD und die Breslauer Universität das Forschungsinstitut gegründet. Es steht in einer Reihe mit 15 sogenannten Exzellenz-Zentren, die der DAAD seit 1991 an hervorragenden Universitäten weltweit gegründet hat. Hier können sich Wissenschaftler, Politiker und Publizisten über Deutschland und Europa austauschen. Ziel des DAAD-Förderkonzepts ist es, künftigen Entscheidungsträgern und Multiplikatoren im Ausland auf höchstem wissenschaftlichen Niveau Deutschland- und Europakenntnisse zu vermitteln. Die Zentren sind bewusst interdisziplinär und fakultätsübergreifend angelegt. Dies verlangt den Uni-Rektoren zunächst organisatorische Mehrarbeit ab, da die Studien- und Doktoranden-Ordnungen von Germanisten, Historikern, Juristen, Wirtschafts-, Politik- und Kulturwissenschaftlern aufeinander abgestimmt werden müssen.
Das Willy-Brandt-Zentrum in Breslau hat es innerhalb kurzer Zeit geschafft, sich international den Ruf eines wichtigen Forschungsinstituts zu Deutschland- und Europafragen zu erwerben. Zu seiner Einweihung vor fünf Jahren kamen auch Bundeskanzler Gerhard Schröder und Polens damaliger Premier Leszek Miller in die niederschlesische Metropole. Es sollte der Beginn einer neuen Epoche in der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen werden - ganz im Sinne von Willy Brandt und dessen neuer Ostpolitik von 1970. Ziel war nicht mehr nur Entspannung und Annäherung, sondern Partnerschaft und Zusammenarbeit.
Doch schon drei Jahre nach der Gründung des Willy-Brandt-Instituts änderten sich die politischen Vorzeichen. Nach den Parlamentswahlen 2005 kommt in Polen eine nationalkonservative und EU-skeptische Regierungskoalition an die Macht, die radikal mit der bisherigen Außenpolitik bricht. Dies bekamen insbesondere die Deutschen zu spüren. So hält Polens neuer Bildungsminister Roman Giertych (Liga der polnischen Familien) monatelang die Gelder für das Deutsch-Polnische Jugendwerk zurück, weil er die Ehefrau seines Parteifreundes auf den Direktorenposten in Warschau hieven will. Der rechtskonservative Kultusminister lässt die Gespräche über ein gemeinsames europäisches Museumsprojekt zu Krieg und Vertreibung einschlafen und lädt nicht mehr zu Verhandlungen über die Rückgabe von Kulturgütern ein, die im Zweiten Weltkrieg verschleppt wurden. Der Wirtschaftsminister schließlich setzt die Gespräche zur deutsch-russischen Gaspipeline und Anbindung Polens an das westeuropäische Energienetz aus. Das neue Stichwort der polnischen Regierung lautet: Konfrontation statt Dialog.
Auch Krzysztof Ruchniewicz, Direktor des Willy-Brandt-Zentrums an der Universität Breslau, bekommt den politischen Stimmungsumschwung zu spüren. Mit dem Einzug Leszek Pacholskis und des für Auslandskontakte zuständigen Prorektors Krzysztof Nawotka ins Rektorat der Universität beginnen 2005 die Schwierigkeiten. Die neuen Rektoren lassen Briefe und Eingaben von Ruchniewicz oft unbeantwortet, so dass einige deutsch-polnischen Projekte scheitern. Kurzfristig lässt Rektor Pacholski eine Sitzung des Lenkungsausschusses abberufen, der die Aktivitäten des Zentrums leitet und überwacht. Notgedrungen müssen die aus dem Ausland anreisenden Mitglieder ihre Flugtickets stornieren lassen. Außerdem wirft Prorektor Nawotka Ruchniewicz vor, den Budgetentwurf für 2007 nicht pünktlich abgegeben zu haben und verhängt zur Strafe ein Reiseverbot gegen alle Mitarbeiter des Willy-Brandt-Zentrums. Auch als klar wird, dass er sich im Datum geirrt hat, zieht er das Verbot nicht zurück. Am Ende entlässt Rektor Pacholski die vier polnischen Professoren im international besetzten Lenkungsausschuss, benennt aber keine Nachfolger für die renommierten Deutschland- und Europaspezialisten.
Als Ruchniewicz bei den Rektoren anfragt, wie diese sich die Zukunft des Willy-Brandt-Zentrums vorstellen und ob die Verträge der zehn Wissenschaftler verlängert werden, schreibt ihm Prorektor Nawotka, dass dies nicht "in den Kompetenzbereich des Direktors des Willy-Brandt-Zentrums" falle. Alles scheint auf eine Schließung des Zentrums hinauszulaufen. Als der Prorektor auch noch dem Verwaltungspersonal kündigt, schlägt die Presse schließlich Alarm. Es hagelt Protestbriefe aus aller Welt.
Auch der DAAD als Co-Finanzier erhält kaum noch Informationen. Die Breslauer Uni-Rektoren antworten auf die Briefe des DAAD entweder gar nicht oder mit großer Verzögerung. Am Ende stellt sich heraus, dass Rektor Pacholski und Prorektor Nawotka offenbar eine "große Reform" am Willy-Brandt-Zentrum planen. Rektor Pacholski will in einem Gespräch mit Christian Bode, dem Generalsekretär des DAAD, verstanden haben, dass er für die Reform "freie Hand" habe und also auch alle Professoren und anderen Mitarbeiter am Zentrum entlassen könne. Nachdem Bode in einem Brief klarstellt, dass Pacholski da wohl etwas missverstanden haben müsse, sind die Rektoren beleidigt und werfen Bode Wortbruch vor. Sie reklamieren für sich die alleinige Entscheidungshoheit über die Personalpolitik am Zentrum. Da sie die Ende September freiwerdenden Stellen nicht öffentlich neu ausschreiben, kommt der Verdacht auf, dass die Rektoren entweder die Posten mit "ihren Leuten" besetzen oder aber das Zentrum still und heimlich schließen wollen - so wie sie es ein Jahr zuvor auch bereits mit dem Forschungszentrum für Schlesien und Böhmen getan hatten.
Die Proteste waren nicht umsonst. Geschlossen werden soll das Willy-Brandt-Zentrum nun nicht mehr. Die Behauptung des Rektors, es arbeite "schlecht", fällt inzwischen auf ihn selbst zurück. Dennoch haben Universität und DAAD bisher noch keinen neuen Vertrag über die Zukunft des Willy-Brandt-Zentrums und seiner Mitarbeiter unterzeichnet.
Die Evaluierungskommission, in der vier bekannte Geschichtswissenschaftler aus Polen, Deutschland und Großbritannien sitzen, hatte im November 2006 empfohlen, den eingeschlagenen Weg konsequent fortzusetzen, dem Zentrum aber ein klareres Profil zu geben. In ihrem Bericht nahm sie insbesondere den Rektor in die Pflicht, der die "erheblichen strukturell-organisatorischen Probleme" ausräumen müsse.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!