Willkür auf Weißrussisch

Erneuter Schlag gegen oppositionelle Medien: Das Minsker Büro von Radio Free Europe steht vor dem Aus

BERLIN taz ■ Weißrusslands autoritärer Staatspräsident Alexander Lukaschenko holt wieder zu einem Rundumschlag gegen oppositionelle Medien aus. Jüngstes Opfer ist das Minsker Büro des US-finanzierten Senders Radio Free Europe. Dafür, dass die Mitarbeiter obdachlos sind, ist bereits gesorgt. Anfang des Monats wurde das Gebäude gegenüber dem Bahnhof, in dem sich neben den Redaktionsräumen auch ein McDonald’s-Restaurant befindet, zwecks Bauarbeiten eingezäunt und damit der Zugang blockiert. Der Rektor der staatlichen Weißrussischen Universität hatte Anspruch auf die Räumlichkeiten erhoben.

Doch weitaus fataler für die Arbeit von Radio Free Europe könnte sich die Frage der Akkreditierung erweisen. Unlängst ging der Redaktion ein Schreiben des weißrussischen Außenministeriums zu, das den Mitarbeitern mit dem Entzug der Akkreditierung droht, sollte weiterhin Material von Kollegen gesendet werden, die nicht mit dem offiziellen Dokument ausgestattet sind. Neben 30 Freien arbeiten nur zehn Journalisten mit offizieller Erlaubnis für den Sender. Deren Akkreditierung läuft zum 31. August aus. Die Nichterneuerung wäre ein probates Mittel, schließlich wurde auf diese Weise bereits die Mission der OSZE in Minsk ausgehungert.

Auslöser war ein Bericht der freien Journalistin Elena Pankratowa über einen Besuch Alexander Lukaschenkos im vergangenen März in Österreich, wobei Lukaschenko Wien nicht in seiner Eigenschaft als Staatschef, sondern als Präsident des Olympischen Komitees seine Aufwartung machte. Pankratowa selbst war in dieser Angelegenheit bereits mehrmals bei der Staatsanwaltschaft vorgeladen und auch ihr könnte noch der Prozess gemacht werden.

„Das Außenministerium beruft sich bei seinem Vorgehen auf eine Vorschrift von 1997. Diese macht Journalisten zu Geiseln der Behörden und steht klar im Widerspruch zu ihrem Recht auf Verbreitung von Informationen sowie zu den Verpflichtungen, die Weißrussland gegenüber der OSZE eingegangen ist“, sagt der Chef des Weißrussischen Dienstes von Radio Free Europe, Alexander Lukaschuk. Sein Versuch, mit Vertretern des Außenministeriums Kontakt aufzunehmen, scheiterte, da das Ministerium ein Gespräch ablehnte.

Doch nicht nur Radio Free Europe droht in Minsk das Aus. Wegen Diffamierung wurde die dreimal wöchentlich erscheinende Zeitung Nascha Swoboda unlängst in einem Prozess zu einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet 55.000 US-Dollar verurteilt, ihr Reporter Michail Padalyak zu 2.700 Dollar. Am 16. Juli hatte das Blatt einen Artikel veröffentlicht, wonach der Chef des staatlichen Kontrollkomitees, Anatol Tozik, sich beim Präsidenten über die mangelnde Kompetenz des Generalstaatsanwalts, Wiktor Scheimann, beschwert habe. Ebenjener Scheimann hatte 1999, zu dieser Zeit Chef des Sicherheitsrates, einen Prozess gegen die Vorgängerzeitung von Nascha Swoboda, Nawiny, angestrengt, die infolge der Verurteilung zu einer hohen Geldstrafe schließen musste.

Kurz vor dem Urteil gegen Nascha Swoboda hatte Staatschef Lukaschenko die Versuche von Medien scharf kritisiert, hoch gestellte Persönlichkeiten durch falsche Informationen zu diskreditieren, und angekündigt, diejenigen, die solche verzerrenden Fakten verbreiten, zu bestrafen.

Auf seinen Prozess wegen Diffamierung des Staatspräsidenten wartet derzeit auch der Herausgeber der oppositionellen Zeitung Rabochy, Wiktor Iwakewitsch. Unter dem Titel „Ein Dieb gehört ins Gefängnis“ hatte die Zeitung im August 2001 sowohl Lukaschenko als auch seiner Administration Korruption vorgeworfen. Im Falle einer Verurteilung drohen Iwakewitsch bis zu fünf Jahren Haft.

Alexander Lukaschuk sieht die jüngsten Vorgänge lediglich als Fortsetzung eines Feldzuges gegen die regimekritische Presse. Es vergehe kein Monat, ohne dass nicht ein Medium vor Gericht gezerrt werde. Allerdings gebe es auch positive Anzeichen. „Von offiziellen Stellen bekommen unsere Journalisten überhaupt keine Auskünfte. Der Sender wird als Relikt des Kalten Krieges beschimpft“, sagt Lukaschuk. „Sobald dann aber jemand gefeuert wird, ist er bei Interviews gegenüber unserem Sender nicht mehr zu bremsen.“

BARBARA OERTEL