Wildes Gebolze

Vor der Partie in Antwerpen steht Fußball-Bundesligist Eintracht Frankfurt und Trainer Oliver Glasner unter Druck. Trotz allen Einsatzes bietet das Team derzeit den vielleicht unstrukturiertesten Fußball der Liga an

Aus Frankfurt Frank Hellmann

Es ist ja nicht so, dass Oliver Glasner nicht zu Wort kommt. Beim Training der Frankfurter Eintracht, meist wieder an mehreren Tagen der Woche zugänglich, ist die Chefstimme deutlich hörbar. Wer seine Arbeit auf den Rasenplätzen im Schatten der Frankfurter Arena nicht verfolgen kann, muss nur im aktuellen Vereinsmagazin nachlesen, um etwas über die Ansichten des Österreichers zu erfahren. Sein Lieblingsplatz im Stadion, sagt der 47-Jährige beispielsweise, sei die Fankurve nach einem Sieg. „Wenn das passiert, haben wir relativ viel gewonnen.“ Dummerweise hat die Eintracht unter seiner Regie noch kein einziges von acht Pflichtspielen für sich entschieden.

Sukzessive nimmt im erwartungsfrohen Umfeld die Ernüchterung zu. Viele Eintracht-Anhänger wissen vor dem Europa-League-Auswärtsspiel bei Royal Antwerpen (Donnerstag 18.45 Uhr/live TVNow) gar nicht, worüber sie sich mehr ärgern sollen: Dass die europapokalbegeisterte Frankfurter Fan­gemeinde ins nächste Bezahlabo für einen Streamingdienst unter RTL-Dach gedrängt werden soll oder dass ihre Lieblinge derzeit mit der Sieglosserie den vielleicht unstrukturiertesten Fußball der Liga anbieten. Das letzte Heimspiel gegen den 1. FC Köln (1:1) sah über weite Strecken wie wildes Gebolze aus; jeder dritte Ball flog zum Gegner oder ins Aus.

Glasner mag ja gerne die hohe Intensität als Qualitätsmerkmal herausstellen – ein Spielkonzept sollte hinter viel Kampf auch stehen. Der Druck für den Auftritt beim ältesten Fußballverein Belgiens, passenderweise mit dem Spitznamen „The Great Old“ bedacht, ist da, weil drei Tage später das Spiel beim FC Bayern ansteht. Der Eintracht droht eine freudlose zweite Länderspielpause.

„Was mir Mut macht, ist, dass die Jungs unheimlich viel Mentalität zeigen“, betont nun der neue Sportvorstand Markus Krösche. Der bei RB Leipzig unzufriedene Manager hat den beim VfL Wolfsburg nicht mehr gewünschten Coach Glasner geholt. Folglich bilden die beiden eine Zweckgemeinschaft – und knüpften gerade denselben Argumentationsstrang. Auch Krösche stellt die hohe Einsatzbereitschaft heraus: „Wir machen nach Bayern die meisten intensiven Läufe und Sprints.“ Auch bei den Balleroberungen im gegnerischen Drittel sei man weit vorn. Ergo geht der 41-Jährige von „schnellen Fortschritten“ aus. Da mag einer nicht von einer ersten Krise sprechen.

Vielleicht handelt es sich auch eher um logische Startschwierigkeiten, wenn zwei erfolgreiche Baumeister wie Cheftrainer Adi Hütter und Sportvorstand Fredi Bobic aus der Mainmetropole wieder abwandern wie Projektmanager einer Großbank. Bobic hat zudem wichtige Mitarbeiter seines Vertrauens mit nach Berlin genommen. Und so arbeiten auch der Direktor Profifußball (Ben Manga), der Leiter der Lizenzspielerabteilung (Timmo Hardung), der Referent des Sportvorstands (Ole Siegel) oder der Koordinator Scouting (Sebastian Frank) erst seit dieser Saison in ihren Ämtern. Aus der hochmodernen Eintracht-Geschäftsstelle mit angeschlossenem Proficampus ist zu hören, dass es hier und da in den internen Abläufen noch klemmt.

Wenn es rund ums Team schon zu Reibungsverlusten kommt, wäre es vielleicht klug gewesen, nicht so rasch Taktik, System und Personal zu wechseln. Doch als Glasner mit der unter Vorgänger Hütter bevorzugten Ausrichtung erst im DFB-Pokal bei Waldhof Mannheim (0:2) und zum Bundesligastart bei Borussia Dortmund (2:5) Schiffbruch erlitt, forcierte er einen radikalen Wandel. Zu prominenten Opfern wurden Makoto Hasebe und Daichi Kamada, der Abwehrchef und der Spielmacher. Glasner hat den beiden Japanern bereits eine Brücke mit einem erneuten Systemwechsel gebaut: „Es wäre durchaus möglich, dass wir mal umswitchen – schon am Donnerstag.“