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Wilde Zuckerwürfel

■ Am Pfingstmontag im Modernsten: die „Sugarcubes“ aus Island

Im letzten Jahr schlugen sie wie eine Bombe aus dem kühlen Norden bei uns Mitteleuropäern ein: sechs isländische Musiker, die sich fast wie aus dem mystischen Niemandsland in die Herzen der Musikpresse katapultierten. Mit einer ganz und gar nicht eingängigen musikalischen Mixtur, deren rauhe Ecken und Kanten dem Pop-Einheitsbrei Hohn sprachen, schafften sie es, sich in den Hitlisten zu plazieren und den von den „Smiths“ verlassenen Thron als ungekrönte Independent-Könige einzunehmen.

Schon mit der ersten Single „Birthday“, auf der Sängerin Björk Gudmundsdottir ihre Kindheitserinnerungen verarbeitet, entpuppten sich die „Sugarcubes“ als nordische Variante des ansonsten eindeutig britisch dominierten Gitarren-Pops. Lediglich Co-Sänger Einar Benediktson steuert mal den einen oder anderen Trompetenton bei - ansonsten überwiegen Gitarrenlinien, die auf einem soliden Rhythmusfundament aus Baß und Drums liegen. Und darüber breitet sich dann die Stimme Björks aus: mal einschmeichelnd gefühlvoll, dann wieder wild und erdig. Das zarte, erst 22jährige Persönchen scheint in ihrem Organ all die Mysterien und Charaktermerkmale der isländischen Natur einzufangen: Weite Rauheit, aber durchaus auch liebliche und sanfte Aspekte. Einen besonderen Reiz bildet der Kontrast, der im Zusammenspiel Björks mit ihrem Sangeskollegen Einar entsteht: da reiben sich dann zwei Antipoden aneinander, bis die Spannung ihren unvermeidlichen Höhepunkt erreicht hat.

Die im letzten Frühjahr erschienene Debüt-LP „Life's too good“ entfachte allenthalben Jubelstürme: der 'Melody maker‘ widmete dem Album eine ganzseitige(!) Besprechung, und die Kollegen von'New Musical Express‘ vergaben für dieses Werk 50 Punkte statt der üblichen Höchstbewertung von 10. In der Tat ist „Life's too good“ eine eindrucksvolle Ansammlung eigentümlicher Songperlen, von denen jede einzelne einen ganz eigenen Anstrich trägt: nichts für den schnellen Konsum als Hintergrundgedudel, sondern Musik, die mit jedem neuen Hören neue Aspekte erschließt.

Auch textlich unterscheiden sich die „Sugarcubes“ angenehm von der Durchschnittsware und setzen auf eher metaphorische und assoziationsreiche Strophen. Kein Wunder, haben doch schon einige Bandmitglieder schriftstellerische Ambitionen ausgelebt.

Sympathisch auch, daß sich das Sextett bisher nicht vom Erfolg hat blenden lassen, obwohl die Major Companies natürlich Schlange standen, um die Band „einzukaufen“. Es gibt sie also doch noch, die Künstler, denen ihr Werk wichtiger ist als der Mammon. Jü

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