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Wikileaks wehrt sich"Lächerliche Kritik"

Die Veröffentlichung der Afghanistan-Dokumente hätte laut Wikileaks-Gründer Assange niemandem geschadet. Vielmehr könnten Tausende gerettet werden.

Wehrt sich gegen die Kritiker: Wikileaks-Gründer Julian Assange. Bild: reuters

STOCKHOLM taz | Arbeite man im jetzigen Tempo weiter, würden auf Wikileaks in etwa zwei Wochen weitere 15.000 geheime Dokumente zum Afghanistankrieg veröffentlicht werden. Das kündigte Wikileaks-Gründer Julian Assange am Wochenende bei einem Besuch in Stockholm an. Und verteidigte gleichzeitig die bisherigen Veröffentlichungen: „Selbst laut Pentagon ist bislang niemand durch die von Wikileaks veröffentlichten Dokumente geschädigt worden.“

Er reagierte damit auf Kritik von Menschenrechtsorganisationen und dem offenen Brief der Organisation „Reporter ohne Grenzen“. Dort ist von „unglaublicher Verantwortungslosigkeit“ die Rede, weil nun möglicherweise die Identität von Kollaborateuren aufgedeckt werden könne. Ein Vorwurf, den Assange als „ganz einfach idiotisch“ bezeichnet. Die Journalistenorganisation lasse sich vom Pentagon ausnutzen und manipulieren und habe sich auf „fabrizierte Zitate“ gestützt. „Reporter ohne Grenzen“ habe sich damit „lächerlich gemacht“: „Wir haben sie gebeten, diese Kritik zurückzunehmen.“

Natürlich nehme man aber alle Bedenken gegen die Veröffentlichungen äußerst ernst, erklärte Assange auf einem von „Broderskapsrörelsen“, dem Verband schwedischer christlicher Sozialdemokraten zum Thema „Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit“ veranstalteten Seminar. Wie nicht anders zu erwarten, würden das Pentagon und die US-Geheimdienste nun mit möglichen negativen Konsequenzern durch die Wikileaks-Veröffentlichung argumentieren. „Es gibt keinen einfachen Beschluss, wenn es um derartiges historisches Material geht“, sagte Assange: „Und es ist unmöglich ganz auszuschließen, dass dabei auch die Namen Unschuldiger veröffentlicht werden.“

Aber man müsse die Relationen sehen: „Unsere Dokumente beweisen 20.000 Tote in den letzten sechs Jahren. Keine hypothetischen. Die hat es wirklich gegeben. Allein in den letzten Wochen gab es erneut über 100 weitere zivile Tote.“ Durch die Veröffentlichung bislang aber keinen einzigen. Im Gegenteil könnten durch diese womöglich Tausende Menschenleben gerettet werden.

Abgesehen von fehlenden finanziellen Ressourcen hätte es außerdem zwei Jahre dauern können, die fraglichen 76.000 Dokumente Wort für Wort durchzusehen. Dies geschehe nun allerdings bei den weiteren 15.000 Dokumenten, die demnächst veröffentlicht würden. Man habe vorher sowohl die ISAF-Truppen wie das Pentagon um Mithilfe bei Durchsicht der Dokumente gebeten: „Aber da ist man an einer Schadensbegrenzung offenbar nicht interessiert.“

Wie Assange weiter mitteilte, werde Wikileaks noch vor der nächsten Veröffentlichung und vermutlich bereits kommende Woche eine schwedische Medienlizenz beantragen. Er reagierte damit auf den Hinweis von Verfassungsjuristen, dass die Internet-Plattform anders als von dieser selbst behauptet, nicht der schwedischen Quellenschutzgesetzgebung unterliegt. Auf den Schutz der Anonymität der Quellen habe diese Lücke - die Wikileaks bislang nicht bewusst gewesen sei - laut Assange aber keine Auswirkung: „Wir speichern keinerlei Informationen über Quellen.“ Wohl aber sei der schwedische Quellenschutz bedeutsam, „um das Personal zu schützen, das mit dieser Seite arbeitet“.

Wobei man es aber auf der Gegenseite „mit Organisationen zu tun hat, die sich nicht an die Gesetze halten, beispielsweise Geheimdienste“. Das Gesetz helfe also nur bis zu einer gewissen Grenze. Eine Meldung der US-Netzzeitung The Daily Beast wonach Washington u.a. Großbritannien, Deutschland und Australien um die Einleitung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren gegen Assange gebeten haben soll, wollte der Wikileaks-Gründer nicht weiter kommentiern.

Auf Meldungen, dass vom Pentagon auch Druck auf Schweden ausgeübt würde, wo wichtige Wikileaks-Server lokalisiert sind, kündigte Assange mögliche Wikileaks-Enthüllungen an: Man habe da Kontakte innerhalb der schwedischen Regierungsadminstration „und Leute, die daran arbeiten“.

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6 Kommentare

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  • D
    @devrim

    Mensch, wie unglaublich bedacht, umsichtig und überlegt dieser Kommentar doch ist...

    Was ist denn der Schluss daraus?

    Die Welt verändern nützt nichts, weil es hat ja nichts gebracht, oder was?

     

    Das Gegenteil von Mut in unserer Gesellschaft ist nicht Feigheit,

    sondern Anpassung!

  • D
    devrim

    Julian Assange hat sich schon genügend in Gefahr gebracht, indem er der Antikriegsbewegung in den USA ein Gesicht und kürzlich auch die nötigen Argumente und Beweise an die Hand gegeben hat. Ihm dürfte klar sein, dass er diejenigen mitgefährdet hat, gegen die nun ermittelt wird, wie z.B. Soldaten und Militärs, die Informationen weitergaben. Es ist zwar mutig, was er macht, aber ob sich die US-Administration davon beeindrucken lässt, ist mehr als fraglich. Der Druck, der von seiner Strategie ausgeht, ist eher der einer Gegenöffentlichkeit, die damit langfristig Einfluss auf die Haltung der US-Regierung ausüben könnte. Dass es dadurch kurzfristig zu einem Abzug kommt, durch den auf einen Schlag die Zahl der zivilen Opfer sinken würde, halte ich für unrealistisch.

  • I
    Icke

    Wenn der Herr Blotz von der ISAF meint, dass diese Veröffentlichung "moralisch unverantwortlich" ist... was hält er dann von Foltergefängnissen?

     

    :)

     

    Total Moral!

     

    Ich stehe hinter den Hochverrätern! Das Volk muss wissen, wie dreckig dieser Krieg für Frieden und Freiheit ist. Die Propaganda muss ein Ende haben.

    Und wenn wikileaks vernichtet wird, dann brennts...

  • QF
    "Ich frag ja nur..."

    recherchiert ihr ab und zu, bevor ihr arikel online setzt? der tip zum nicht abgesprochenen brieg fon EN.rsf ist vor ewigkeiten durch tickerkanäle.

     

    wie schläft sich's so im taznetz ohne twitteranschluss?

     

    gefährlicher link, könnte gleich hochgehen dort weiter unten hinweis, mit welchen und wievielen die den "offenen brief" nicht abgesprochen haben.

     

    schreibtischleute, die den amnesty-"brief" (clever durch pentagon-kontakte lanciert, ging durch eine, die sich als journalistin bei amnesty US vorgestellt hat, aber verschiegen hat, dass der beitrag für das WALL STREET JOURNAL gemeint - erm und entsprechend vergütet... - war. das dauerte etwa 1,5 tage um rest von amnesty aufwachen zu lassen. (amnesty berlin ist noch im jetlag, die tante hier hat noch gähnmuskelkater vom urlaub. jedenfalls konnte es über amnesty london schließlich halbwegs) - so und in der zwischenzeit haben sich einige schreibtischler bei en.rsf - ohne rücksprache mit anderm dpts. hingesetzt, die korrektur des WSJ-amnesty-aussagefakes kam bei denen noch nicht an und schon dachte jemane hier wäre irgendwas. muss ein praktikant bei rsf gewesen sein, zero ahnung vom eigentlichen start der angelegenheit (Reuters staff killed, hallo? stad das nciht sogar in eurer zeitung mal? klingelt es da nicht, wenn urplötzlich "rsf" angeblich "offene briefe"?)

     

    jedenfalls hinweis auf nciht gefragte (VIELE NCIHT GEFRAGTE) nach dem klick auf den oben angegebenen link und dann nach unten scrollen.

  • M
    Mohammed

    Die Leute die mit den Imperialisten kooperieren haben es nicht anders verdient!

  • R
    rapanui

    GO! Wikileaks, Go!

     

    Mehr muss man dazu nicht sagen.