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Wikileaks veröffentlicht die US-DepeschenEnde des Datenschutzes

Zunächst waren die vormals geheimen US-Depeschen ungewollt ohne Namenschwärzungen in die Öffentlichkeit geraten. Nun hat die Enthüllungsplattform diese Papiere selbst online gestellt.

Wikileaks tritt - spät - die Flucht nach vorn an. Bild: screenshot twitter

BERLIN dpa | Nach der schweren Datenpanne um geheime US-Depeschen hat Wikileaks-Gründer Julian Assange die Flucht nach vorn angetreten und die Dokumente selbst veröffentlicht.

Über die Enthüllungsplattform ist seit der Nacht zum Freitag ein kompletter Datensatz mit mehr als 250 000 Dokumenten abrufbar. Damit sind nun auch die Namen von Informanten der US-Botschaften öffentlich, die teilweise sensible Informationen lieferten. Auf den Schritt wies die Gruppe via Twitter hin.

Ursprünglich hatten Wikileaks-Gründer Julian Assange und seine Medienpartner sich darauf geeinigt, die Namen von Informanten, deren Sicherheit durch eine Veröffentlichung gefährdet werden könnte, zu schwärzen. Allerdings geriet die verschlüsselte Datei mit den ungeschwärzten Namen in Umlauf. Außerdem veröffentliche der britische Journalist David Leigh in einem Buch über Wikileaks das Passwort zur Entschlüsselung der Botschafts-Telegramme.

Der Mitarbeiter der britischen Zeitung The Guardian hatte die sensible Daten von Wikileaks erhalten, als die Enthüllungsplattform und der Guardian noch in einer Medienpartnerschaft verbunden waren. Nach mehreren kritischen Artikeln in der britischen Zeitung über die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Assange brach diese Kooperation jedoch auseinander.

Gegenseitige Vorwürfe

Inzwischen überziehen sich Leigh und Assange gegenseitig mit Vorwürfen. Leigh rechtfertigte am Donnerstag die Veröffentlichung des Passworts in seinem Buch mit dem Hinweis, er sei davon ausgegangen, dass es damals nur für wenige Stunden gültig gewesen sei.

Die verschlüsselte Datei mit den 250 000 US-Depeschen kursiert schon seit geraumer Zeit im Netz. Ein Mitarbeiter von Assange soll sie am 7. Dezember 2010 über die Filesharing-Website Pirate Bay über das BitTorrent-Protokoll verbreitet haben. An diesem Tag hatte sich Assange in London der Polizei gestellt, nachdem wegen der Vergewaltigungsvorwürfe in Schweden mit einem Haftbefehl nach ihm gesucht wurde. Die über BitTorrent verteilte Datei konnte mit dem Passwort entschlüsselt werden, das Assange dem Guardian-Journalisten Leigh genannt und dieser später in seinem Buch veröffentlich hatte.

Der Streit über den Umgang mit den sensiblen Daten aus dem US-Außenministerium führte auch zum Bruch zwischen Wikileaks-Gründer Julian Assange und Daniel Domscheit-Berg. Der deutsche Netzaktivist war einst ein enger Mitarbeiter von Assange und trat mit ihm monatelang bei öffentlichen Präsentationen der Enthüllungsplattform gemeinsam auf.

Nach dem Bruch des Vertrauensverhältnisses warf Domscheit-Berg dem Wikileaks-Gründer einen viel zu sorglosen Umgang mit den geheimen Daten vor. So sei Assange "zu faul" gewesen, für die Übergabe der Daten an die ausgewählten Medienpartner eigene Versionen der verschlüsselten Datei mit jeweils individuellen Passwörtern anzulegen. Assange wiederum beschuldigt Domscheit-Berg, selbst entscheidend zum Leck der Daten beigetragen und in seinem Wikileaks-Buch sensible Interna ausgeplaudert zu haben.

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3 Kommentare

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  • P
    Peter

    Was ist eigentlich aus dem rechtlichen Tauziehen um die Vergewaltigungsvorwürfe geworden? Hat man ja ewig nichts mehr von gehört.

    Macht da doch mal einen Artikel über den gegenwäritgen Ist-Zustand.

    Hockt er immer noch in GB, weil ja sein Todesurteil angeblich in de Moment besiegelt ist, in dem er schwedischen Boden betritt?

  • HB
    Hellie Bu

    Wenn jetzt seit heute die unveröffentlichte Version im Netz steht, dann nur, weil alle Geheimdienste sie eh schon einsehen konnten.

    Ansonsten gilt, was selbst Rainer Metzger festgestellt hat: nämlich, dass sich der Schaden für die amerikanischen Zuträger wohl in Grenzen hält, da die Daten bei der geringen Geheimhaltungsstufe in den USA auch ohne den Umweg über Wikileaks bereits bei vielen Geheimdienst gelandet sein dürften.

     

    Aber mal ernsthaft: Was glauben die naive Analog-Journalisten, wie sensible Daten aufbewahrt werden (u.a. von Wikileaks)? Unter dem Bett im Sparstrumpf, als CD im Eisfach? Wohl kaum!

    Sie werden z.B. durch PGP verschlüsselt, mit Hilfe eines Codewortes, zu dem nur wenige Leute Zugang haben wird das Ganze auf irgendeinem Server (oder mehreren) abgelegt. So schlecht ist die Methode eigentlich nicht.

     

    100% sicher ist das nicht – doch wenn die DCs in Julians Kühlschrank lägen, wären sie erst recht inzwischen geklaut, von welchem Geheimdienst auch immer.

  • H
    Horst

    "Assange wiederum beschuldigt Domscheit-Berg, selbst entscheidend zum Leck der Daten beigetragen zu haben..."

    durch die Bekanntmachung im Freitag, dass Datei als auch Passwort im Netz zu finden zu sei.