Wikileaks und die deutschen Politiker: Versuchte Einflussnahme
Sei es das Swift-Abkommen oder der Fall Khaled El-Masr. Die US-Diplomaten versuchten mehrfach Einfluss auf deutsche Politiker zu nehmen. Und von der FDP halten sie nicht viel.
BERLIN taz | Eine Menge von dem, was jetzt aus den Depeschen der US-Botschaften über deutsche Politiker zitiert wird, hat den Charakter von Tratsch. Nicht alles. An mehreren Stellen wird deutlich, wie massiv Druck aufgeübt wurde.
So warnte laut einer als geheim klassifizierten Depesche vom 6. Februar 2007 ein US-Diplomat das Kanzleramt, dass im Fall des von der CIA entführten Deutschen Khaled El-Masri "negative Auswirkungen" für die Beziehungen der beiden Länder zu erwarten seien, sollte Deutschland einen internationalen Haftbefehl gegen die US-amerikanischen Geheimdienstler ausstellen. Es gehe nicht darum "zu drohen", sagte der US-Diplomat dem Kanzleramtsvertreter, jedoch solle Deutschland "jeden Schritt sorgfältig abwägen".
Massiv war auch die Einflussnahme auf Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) Ende 2009. Am 30. November stimmten die EU-Innenminister über eine Übergangsversion des sogenannten Swift-Bankdatenabkommens ab, das US-Terrorfahndern den Zugriff auf europäische Bankdaten verschaffen sollte. Der Entscheidung in Brüssel seien in Berlin "zwei Wochen intensiven Lobbyings" vorausgegangen.
Demnach versuchten unter anderem Außenministerin Hillary Clinton, Finanzminister Timothy Geithner und US-Botschafter Philip Murphy die Deutschen zu beeinflussen. Bei der Abstimmung in Brüssel hätte nur ein Nein der Deutschen das Abkommen stoppen können. De Maizière enthält sich - zum Ärger des liberalen Koalitionspartners.
Ohnehin gilt die FDP den USA offenbar als Hort des Bösen. In den Depeschen werden die FDP-Politiker Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Gisela Piltz und Max Stadler als auf den Datenschutz fixierte Naivlinge dargestellt. Die FDP habe "den transnationalen Charakter des Terrorismus nicht ganz verstanden", und zeige kein Verständnis dafür, "eine sinnvolle Balance zwischen persönlichen Freiheiten und Sicherheitsmaßnahmen" zu finden, heißt es kurz vor der Bundestagswahl 2009.
Erstaunlich ist, dass nach der Wahl laut den Depeschen der US-Botschaft ein "junger, aufstrebender Parteigänger" der FDP die Amerikaner über Interna der Koalitionsverhandlungen auf dem Laufenden gehalten haben soll. In der FDP sucht man den Durchstecher. Es kämen dafür eigentlich nur maximal 10 Personen infrage, hieß es.
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