WikiLeaks Enthüllungen und Obamas Abzug: Ohnmächtige Supermacht
Die Wikileaks-Akten offenbaren grausige Zustände in Iraks Gefängnissen. US-Medien kritisieren, dass das nicht die Zustände sind, die Obama zum Abzug aus dem Irak in Aussicht stellte.
WASHINGTON dpa | Die knapp 400.000 Dokumente waren noch gar nicht im Netz, da ging die US-Regierung schon vehement gegen die Enthüllungsplattform Wikileaks vor. Außenministerin Hillary Clinton höchstselbst warnte, die Veröffentlichung könne Leben gefährden. Die nationale Sicherheit der USA und anderer stehe auf dem Spiel.
Das Pentagon forderte von Wikileaks, die geheimen Dokumente sofort wieder aus dem Netz zu nehmen. Längst wisse man, dass Terroristen sie nach Brauchbarem für Anschläge durchforsteten. Nichts half: Wikileaks dokumentiert mit dem jüngsten Coup nicht nur den Krieg, sondern auch die Ohnmacht einer Supermacht im Zeitalter des Internets.
Besonders delikat für die USA: Viele der Berichte über grausige Zustände, Folter und Barbarei in irakischen Gefängnissen sind noch gar nicht so alt. Und bis Ende 2011 will US-Präsident Barack Obama alle amerikanischen Truppen aus dem geschundenen Land abgezogen haben - nachdem er erst am 1. September nach mehr als sieben Jahren den Kampfeinsatz dort für beendet erklärt hatte.
Die Dokumente über geschlagene, versengte, verätzte, gepeitschte Häftlinge seien in jeder Hinsicht "ein beängstigendes Porträt der Gewalt", befindet die New York Times, die wie eine Reihe anderer Medien weltweit die Akten sichtete. Sie seien aber "besonders besorgniserregend, weil Iraks Streitkräfte und Polizei zentrales Element von Obamas Plänen für den Abzug sind", merkt das Blatt an.
In der Tat erklärte der Präsident feierlich im Oval Office: "Das irakische Volk hat jetzt die Hauptverantwortung für die Sicherheit des Landes." Er vergaß nicht anzufügen: "Natürlich wird die Gewalt nicht mit unserer Kampfmission enden". Eine Sorge, die nach der Veröffentlichung der Dokumente über brutale Übergriffe irakischer Offizieller nicht nur mit Blick auf Terroranschläge gelten dürfte.
Für die Amerikaner sind derweil der Irak-Krieg und wohl auch die Dokumente nicht mehr als die Erinnerung an einen Dämon aus längst vergangenen Tagen - zumal die veröffentlichten Akten am Ende dann doch "anscheinend keine größeren Enthüllungen" zu bieten haben, wie die Washington Post urteilt.
Außerdem war es nicht die Obama-Regierung, die den weltweit kritisierten Waffengang vom Zaun gebrochen hatte. Schon den Krieg in Afghanistan halten einer Umfrage der Wirtschaftsagentur Bloomberg zufolge derzeit gerade sieben Prozent der US-Bürger für das wichtigste nationale Thema. Die blutarme Konjunktur beschäftigt Amerika im Moment, eineinhalb Wochen vor den Kongresswahlen, weit mehr als Kriege und Krisen in der Ferne.
Als Obama das Ende des Kampfeinsatzes verkündete, machte er wohl auch mit Blick auf die nahenden Wahlen am 2. November klar, worauf es ihm ankommt: Amerika soll sich wieder stärker auf sich selbst konzentrieren. Man habe einen hohen Preis für den Waffengang bezahlt - rund 4400 tote US-Soldaten und Kosten von über einer Billion Dollar (715 Milliarden Euro).
Aber Obama gab auch ein Versprechen ab: "Unsere Kampfmission geht zu Ende, nicht aber unsere Verpflichtung für die Zukunft des Iraks." Die Irak-Dokumente legen nahe, dass der US-Präsident daran noch häufig erinnert werden dürfte.
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