Wiefelspütz zu Abhörrechten: "Die SPD will die BKA-Reform"
Abhörschutz für Strafverteidiger und Pfarrer müsse gewährleistet bleiben, meint der SPD-Innenpolitiker Wiefelspütz. Die Entscheidung für die Online-Durchsuchung sei im Prinzip jedoch schon gefallen.
taz: Herr Wiefelspütz, von Innenminister Schäuble gibt es einen neuen Entwurf für die BKA-Novelle. Dort wurde der bisher versprochene Abhörschutz für Strafverteidiger, Geistliche und Abgeordnete stark zurückgenommen. Hat die SPD etwas davon gewusst?
DIETER WIEFELSPÜTZ, 61, ist innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Er trat 1972 in die SPD ein und ist Vorsitzender des SPD-Stadtverbandes Lünen. Seit 1989 ist er als Rechtsanwalt zugelassen; von 1990 bis 1998 war er Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. 2002 promovierte er zum Dr. jur. mit einer Arbeit über "Das Untersuchungsausschussgesetz".
Dieter Wiefelspütz: Nein, dieser Entwurf hat uns völlig überrascht. Er kam auch ohne Vorwarnung.
Ist die SPD bereit, diese Veränderung mitzutragen?
Es gibt noch keine abgestimmte Position der SPD. Ich persönlich habe aber große verfassungsrechtliche Bedenken gegen diesen Vorschlag, und aus dem Justizministerium höre ich Ähnliches. Es ist doch state of the art, also eine Selbstverständlichkeit, dass Anrufe bei Strafverteidigern, Pfarrern und Abgeordneten sowie Gespräche in deren Räumlichkeiten generell nicht abgehört werden dürfen. Der ursprüngliche Entwurf zum BKA-Gesetz wurde faktisch aus der Strafprozessordnung abgeschrieben. Dahinter kann man nicht mehr zurückfallen.
In der Strafprozessordnung geht es um die Aufklärung bereits begangener Taten, in den neuen BKA-Paragrafen um Gefahrenabwehr. Macht das keinen Unterschied?
Natürlich hat die Abwehr terroristischer Angriffe höchste Bedeutung. Aber sie kann nicht dazu führen, unsere Verfassungsordnung auszuhebeln. Nach meiner Auffassung müssen Gespräche mit Verteidigern, Pfarrern und Abgeordneten auch dann vor Zugriffen der Polizei geschützt sein, wenn es um die Abwehr von Gefahren geht.
Wird am Ende ein Kompromiss herauskommen? Zum Beispiel eine Beschränkung auf Situationen unmittelbar drohender Lebensgefahr?
Ich gehe davon aus, dass die jetzt eingefügte Klausel wieder gestrichen wird, und zwar ersatzlos.
Viele Landespolizeigesetze sehen bei der Gefahrenabwehr ebenfalls keinen besonderen Schutz von Verteidigern, Geistlichen und Abgeordneten vor
Dann müssen auch die Landespolizeigesetze nachgebessert werden. Darüber müssen Sie aber mit den jeweiligen Landespolitikern sprechen.
Was ist mit dem Abhörschutz von anderen Rechtsanwälten, von Journalisten und Ärzten?
Darüber haben wir jüngst lange diskutiert, als die Strafprozessordnung novelliert wurde. Auch die Kommunikation mit diesen Personen ist besonders zu schützen, allerdings nicht absolut. Hier ist nur eine besonders strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgesehen. Bei der muss es aber auch im Bereich der Gefahrenabwehr bleiben.
Bisher stand bei der Diskussion über die BKA-Novelle die heimliche Ausspähung von Computern im Mittelpunkt. Die SPD hat inzwischen Zustimmung signalisiert. Warum?
Unser Fraktionschef Peter Struck hat darauf verwiesen, dass alle maßgeblichen Sicherheitsexperten die Online-Durchsuchung für notwendig erklären. Wenn das Verfassungsgericht die Online-Durchsuchung für grundsätzlich verfassungskonform hält, dann werden wir sie ins BKA-Gesetz aufnehmen - mit den vom Verfassungsgericht geforderten Einschränkungen.
Man muss aber doch nicht alles machen, was gerade noch verfassungsrechtlich zulässig ist
Das ist richtig. Aber die politische Entscheidung ist nach meinem Eindruck gefallen - auch wenn ein formeller Beschluss der SPD-Fraktion noch aussteht. Es geht nun nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie der Online-Durchsuchung.
Das Verfassungsgericht wird nicht über die BKA-Reform, sondern über das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz entscheiden. Kann dieses Urteil einfach übernommen werden?
Grundsätzlich gelten natürlich andere Regeln für den Verfassungsschutz und die Polizei. Deshalb muss das Karlsruher Urteil intensiv studiert und interpretiert werden. Ich habe allerdings die Hoffnung, dass das Verfassungsgericht die Bedeutung der informationellen Selbstbestimmung in Zeiten des Internets neu interpretiert. Das ist für alle Sicherheitsbehörden relevant.
Es könnte aber sein, dass nach dem Karlsruher Urteil ein langwieriger Interpretationsstreit beginnt?
Es wird vermutlich einige Wochen dauern, bis wir Klarheit haben. Aber ich sage ganz deutlich, die SPD will die BKA-Reform und wird nicht auf Zeit spielen.
Auch die Länder sind noch unzufrieden. Sie kritisieren, dass das Bundeskriminalamt ohne Absprache Fälle an sich ziehen kann
Es ist klar, dass die Länder in der Terrorbekämpfung weiter eine wichtige Rolle spielen. Die Kritik vom letzten November dürfte vom Tisch sein.
Bekommen die Länder doch noch ein Vetorecht, bevor das BKA auf ihrem Gebiet tätig wird?
Nein, das wäre unpraktikabel. Manchmal muss auch schnell zugegriffen werden, da kann man vorher nicht lange diskutieren. Die monatelangen Ermittlungen gegen die im Sauerland festgenommene Islamistengruppe haben aber gezeigt, dass Bund und Länder gut zusammenarbeiten. Ich gehe davon aus, dass es beim BKA-Gesetz noch im Februar eine Lösung geben wird, der die übergroße Mehrheit der Länder zustimmt. Das BKA muss sicherstellen, dass die Länder in die Terrorprävention intensiv einbezogen werden.
INTERVIEW: CHRISTIAN RATH
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