Wiederentdeckt: Norddeutsche Schiffe, spanisches Licht

Sie wurde zu den wichtigsten Hamburger Künstlerinnen gezählt - und nachdrücklich aus der Erinnerung getilgt. Eine Ausstellung über die Malerin und Funktionärin Alma del Banco.

Skizzierte Schiffe zwischen farbfleckigen Häusern: Alma del Blancos "Blick von der Süllbergterrasse, Blankenese, auf die Elbe" aus dem Jahr 1918. Bild: Nachlass Alma del Banco / Ernst Barlach Haus

HAMBURG taz | Schietwetter an der Kleinen Alster: Himmel und Wasser sind gleichermaßen grau, mit Anteilen von schmutzigem Grün und braunen Einsprengseln. Hamburgern ist die Stimmung auf diesem kleinen Ölbild von 1912 wohlbekannt. Gemalt aber hat es eine kaum mehr erinnerte Künstlerin, Alma del Banco.

Ein druckfrisches Buch der Kunsthistorikern Friederike Weimar und eine Kabinett-Ausstellung im Hamburger Ernst Barlach Haus suchen, die Malerin nun ins Gedächtnis zurückzuholen. Daraus war del Banco durch die nationalsozialistische Herrschaft vertrieben worden, und das derart erfolgreich, dass selbst nach eingehender Forschung sogar ihre Biographie in weiten Teilen eher rekonstruiert werden muss aus dem Kontext der Zeit und den Spiegelungen der Einflüsse in den erhaltenen Bildern del Bancos.

Graugriesel an der Alster oder lichtdurchflutetes Grün am Deich, in freundlicher Stimmung den Alsterpavillon dynamisch umkreisende Boote, mit dem Gewirr ihrer Linien von Masten und Tauen im Hafen liegende Schiffe oder - von den späteren Reisen an die Küsten des Mittelmeeres mitgebrachte - Bilder mit südlich hell verdichteten Formen: Zwar genoss Alma del Banco in den 1920er Jahren auch als Porträtistin einigen Ruhm, die nun in Hamburg gezeigte Auswahl aber umfasst ausschließlich Landschaften.

Kaum Aufzeichnungen

Bis auf ein einziges Gemälde aus dem Altonaer Museum stammen dabei alle Arbeiten aus Privatbesitz. Es sind Bilder einer Künstlerin, die einmal als "unbestritten erste Malerin von Hamburg" bezeichnet wurde: Das tat 1926 Ida Dehmel, Vorsitzende der Gemeinschaft Deutsch-Österreichischer Künstlerinnenvereine (Gedok).

Wer aber war Alma del Banco? Es sind wenig private Aufzeichnungen erhalten und manches in ihrem Leben bleibt trotz der jetzt publizierten Forschungen nur bruchstückhaft überliefert: 1862 wurde sie in Hamburg in eine italienisch-schwedische, assimiliert-jüdische Familie geboren. Aber erst um die Jahrhundertwende begann sie eine Ausbildung zur Malerin. Das war damals, da man ihnen die Fähigkeit zum bedeutenden Genie rundheraus abstritt, Frauen an den großen Akademien und Kunstschulen nicht erlaubt.

So blieb ihr nur eine teure Privatausbildung an der "Damenmalschule" von Valeska Röver. Einziger Vorteil dieser restriktiven Situation: Außerhalb der konservativen wilhelminischen Regeln bekamen junge Künstler an diesen privaten Unterrichtsorten in vieler Hinsicht freiere und modernere Ideen vermittelten, als es an den offiziellen Schulen gepflegt wurde.

So ging Alma del Banco etwa, auf Anregung der damals noch umstrittenen, vom Kunsthallendirektor Alfred Lichtwark gleichwohl geförderten Freilichtmaler Ernst Eitner und Artur Illies auch hinaus vor das Motiv. Dort malte sie dann dem Impressionismus nahestehende Ansichten aus Hamburg und Norddeutschland. Sie stellte in der wichtigen Galerie Commeter aus und reiste um 1913/14 nach Paris. Im damaligen Kunstmekka inspirierten sie Paul Cezanne, Henri Matisse und der junge Fernand Leger.

Details ihrer dortigen Studien, oder auch nur die Anzahl der Paris-Reisen sind heute nicht mehr festzustellen - dafür aber die Veränderungen in del Bancos Bildern. Der "Blick von der Süllbergsterrasse in Blankenese auf die Elbe" aus dem Jahr 1918 beispielsweise, neun skizzierte Schiffe, linienbetont vor halbrundem Horizont, zwischen farbfleckigen Häusern unten und einem expressiv zackig vor dem Himmel ins obere Bilddrittel ragenden Ast: Hier zeigt sich, wie lohnend es ist, dem verstreuten Werk Alma del Bancos nachzuforschen.

15 gute Jahre

Die 15 Jahre der Weimarer Republik waren für sie die besten: Sie gehörte zu den führenden Künstlern der Hansestadt, übernahm Funktionen in den Künstlerorganisationen. Sie entwickelte ihre Technik weiter, nahm an zahlreichen Ausstellungen teil. Sie konnte gut verkaufen, reiste mehrfach nach Südeuropa. Und nicht zuletzt war nun das Frauenbild zumindest etwas moderner, es musste nicht mehr ständig begründet werden, warum weibliche Wesen überhaupt Kunst machen wollten.

Die Zeit aber, in der es möglich war, Frau und frei zu sein, Deutsche und Jüdin, ging schnell vorbei: Das Ende der Weimarer Republik und die nationalsozialistische "Machtergreifung" entzogen Alma del Banco alle Chancen - und das nicht nur in künstlerischer Hinsicht: Ihre Arbeiten wurden verboten und schon bald wurde auch sie selbst ihrer Abstammung wegen verfolgt. Hatte sie 1919 die "Hamburgische Sezession" noch mitgegründet, musste sie nun erleben, wie die erfolgreiche Künstlerorganisation sich 1933 selbst auflöste, um der Gleichschaltung zu entgehen. Wenig später folgte diesem Beispiel auch die Hamburger Gedok-Ortsgruppe, in der Alma del Banco zuvor zeitweilig auch Führungsfunktionen übernommen hatte.

Überdosis Morphium

Im Rahmen der Aktion "Entartete Kunst" wurden 1937 dann 13 Werke Alma del Bancos aus der Hamburger Kunsthalle konfisziert. Und freilich verstärkten sich die menschenverachtenden Restriktionen gegen die Juden in Deutschland immer weiter. Vor der sicheren Deportation ins KZ Theresienstadt nahm sich Alma del Banco 80-jährig am 8. März 1943 mit einer Überdosis Morphium das Leben.

Alma del Banco - Elbe, Alster, Mittelmeer. Bis 8. Januar, Hamburg, Ernst Barlach Haus. Friederike Weimar: Alma del Banco. Eine Hamburger Künstlerin, 1862-1943. Wachholtz Verlag 2011, 255 S., 28 Euro
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