■ Wieder unentschieden zwischen Gauck und Stolpe: Duell der protestantischen Männer
Die beiden sind wie zwei Ringer, die nicht mehr voneinander loskommen: der Chef der Behörde, Joachim Gauck, und der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Manfred Stolpe. Genaugenommen hatten die zwei schon immer miteinander zu tun, schon zu den Zeiten des Streits in der alten DDR über den richtigen Weg der „Kirche im Sozialismus“. Damals stand Gauck für den Kurs einer klaren Oppositionspolitik, Stolpe für den Versuch – die Illusion? – einer kirchlichen Einflußnahme auf die Staatsinstanzen. Zufall ist es keineswegs, daß sich die beiden nun vor Gericht gegenüberstanden. Dabei geht es um mehr als eine schwierige historische Wahrheit. Es geht um die Rechtfertigung von Lebensentscheidungen aus früher Zeit – und um Ehre. Im letzten Jahrhundert hätten sich die beiden zum Duell gefordert, im Mittelalter zu einer Gottesprobe.
Dieser Tage traf man sich also vor Gericht, was immerhin ein zivilisatorischer Fortschritt ist. Ob der Ort der Klärung gut gewählt war, darf trotzdem bezweifelt werden. Leider gibt es noch keine Richter, die der Versuchung und der Zumutung widerstehen, politische Fragen juristisch zu klären. Reformpolitik oder Systemopposition, Entspannungspolitik oder Konfrontation, Opposition oder Kooperation – diese Fragen der Legitimität politischer Strategien haben im Gerichtssaal nichts zu suchen, auch wenn sie sich in eine gerichtsförmige Fassung kleiden.
Nun hat das Gericht ein Urteil gesprochen – und nichts ist entschieden. Stolpe sagt, er sei hochzufrieden und das mußte schließlich mal gesagt werden. Gauck sagt, seine Position sei damit gerechtfertigt und er sei dankbar für dieses Ergebnis. So what? Die Öffentlichkeit teilt sich wie gehabt nach den bekannten Vorlieben. Ring frei zur nächsten Runde.
Vielleicht ist es ja ein Vorteil für die Verständlichkeit des Problems, daß sich die Fragen einer Epoche in zwei Personen verdichten, die symbolisch miteinander ausfechten, was anders nicht zu klären ist. Prinzipielle Fragen sind schließlich nie der Sache nach zu klären, sondern immer nur symbolisch. Das Publikum sieht, staunt und lernt vielleicht auch was daraus. Mag sein. Manchmal hat man aber auch den Eindruck, hier vergäßen zwei, daß zwischen ihnen nur relative Wahrheiten zur Entscheidung stehen. Die Unversöhnlichkeit der beiden Kontrahenten jedenfalls gerät von Runde zu Runde mehr in Kontrast zum abnehmenden Interesse der Öffentlichkeit an einem eindeutigen Ergebnis, also Sieg oder Niederlage für einen der beiden Beteiligten. Während die beiden Staatsdiener noch – gut lutherisch – „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ intonieren, wünschte man sich, sie wären ein bißchen weniger protestantisch und dafür eine Nuance mehr preußisch. Antje Vollmer
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