: Wieder Sonnenschein für Werksleiter
■ Freispruch für den ehemaligen Chef der umstrittenen Berliner Batteriefabrik „Sonnenschein“ / Gericht: Umweltgefährdende Abfallbeseitigung nicht erwiesen, obwohl keine Veränderungen der Nachlässigkeiten
Aus Berlin Werner van Bebber
Mit einem Freispruch und wesentlich früher als erwartet endete gestern der Prozeß gegen einen ehemaligen Werksleiter der Berliner Batteriefabrik Sonnenschein. Dem 40jährigen Hans Braatz, der von 1983 bis Ende 1984 bei dem skandalumwitterten Betrieb angestellt war, wurde Gewässerverunreinigung und umweltgefährdende Abfallbeseitigung vorgeworfen. Das Gericht sah keinen der Vorwürfe, welche die Staatsanwaltschaft durch mehrere Gutachten und ein Dutzend Zeugen erhärten wollte, als erwiesen an. Der Staatsanwalt hatte Braatz vorgeworfen, er habe die Verseu chung eines Berliner Kanals mit bleihaltigem Ab– und Löschwasser zu verantworten. Nach einem Brand auf einem Fabrikgelände im November 1984 waren erstmals stark erhöhte Bleiwerte in den Abwassergullis auf dem Firmengelände gemessen worden. Die Gullis münden in den zwar trüben, jedoch mit Blei bislang wenig belasteten Teltow–Kanal und wurden daraufhin per Bescheid der Umweltbehörde abgeschottet. Und auch um den Umgang mit den Klärschlämmen der firmeneigenen Neutralisationsanlage stand es, wie die Staatsanwaltschaft meinte, schlecht. Jahrelang hatten sich Anwohner über sehr staubhaltige Luft beschwert. Eine der Quellen, so wurde ermittelt, war ein Container, in demn über ein Förderband der Klärschlamm der Neutralisationsanlage zwischengelagert wurde. Daß Staub, Klärschlamm und bei den Löscharbeiten auf dem Firmengrundstück auch bleihaltiges Wasser in die öffentliche Kanalisation gelangten, wenn das Firmengelände mit Wasser abgespült wurde, wollte der Staatsanwaltschaft den ehemaligen Werksleiter mit einer Geldstrafe von 13.500 Mark sühnen lassen. Richterin und Schöffen mochten dem nicht folgen. Zwar habe sich die Kammer bei einer Ortsbesichtigung davon überzeugen können, daß sich zumindest am nachlässigen Umgang mit dem Klärschlamm fast nichts geändert habe. Die Verunreinigung des öffentlichen Kanalsystems aber könne dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden: Es sei wahrscheinlich, daß Blei auch in den Teltow–Kanal gelangte, aber dies sei nicht durch Messungen im Kanal belegt. Diverse Zeugen hätten im Verfahren den schlampigen Umgang mit Staub und Schlamm bei Sonnenschein bestätigt, von den konkreten Vorwürfen gegen Hans Braatz bliebe jedoch nichts übrig, „leider“, fügte die Richterin hinzu, was sie nicht auf den Angeklagten, sondern auf die Zustände in der Batteriefabrik bezogen wissen wollte.
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