: Wie wird man Offiziere los?
■ Hardthöhe vor Problemen beim Abbau kriegerischen Personals / Die Truppe kämpft
Bonn (dpa) - Das Bundesverteidigungsministerium prüft im Zusammenhang mit der Schaffung einer gesamtdeutschen Armee die Möglichkeit zur „Zwangspensionierung“ von Offizieren der Bundeswehr. Nach Informationen von dpa soll damit die erhebliche personelle Reduzierung der Bundeswehr für die künftigen Streitkräfte im vereinigten Deutschland erreicht werden. Es könnten etwa 80.000 Berufs- und Zeitsoldaten betroffen sein, hieß es.
Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) hatte am vergangenen Freitag zum ersten Mal das neue Konzept für die gesamtdeutschen Streitkräfte vorgestellt. Danach soll sich der zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow vereinbarte Umfang von 370.000 Soldaten aus 320.000 Angehörigen der jetzigen Bundeswehr und rund 50.000 Soldaten der nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik aufgelösten Nationalen Volksarmee (NVA) zusammensetzen.
Der Personalbestand der Bundeswehr beträgt gegenwärtig noch etwa 480.000 Mann. Bei der Reduzierung müßten die bundesdeutschen Streitkräfte auf 160.000 Soldaten verzichten. Davon sind rund die Hälfte Berufs- und Zeitsoldaten.
Wenn sie keine Löffel stehlen...
Experten wiesen darauf hin, daß allein schon der Prüfungsauftrag des Personalchefs der Hardthöhe, Generalleutnant Dieter Clauss, an die hausinterne Abteilung „Verwaltung und Recht“ für eine etwaige zwangsweise Entlassung von Offizieren und Zeitsoldaten „unglaublich“ sei, weil Berufsoffiziere in ihren Rechten und mit Blick auf das gegenseitige Treueverhältnis zum Staat Beamten gleichgestellt sind.
„Sie sind also unkündbar, wenn sie nicht gerade silberne Löffel gestohlen haben“, sagte ein hoher Beamter des Verteidigungsministeriums. Das gleiche gilt für Zeitsoldaten während ihrer Verpflichtungsdauer.
In Offizierskreisen breite sich schon „erhebliche Unruhe“ aus, wurde berichtet. Offiziere könnten eben nicht gegen ihren Willen auf der jetzt gültigen Rechtsbasis aus der Bundeswehr „entfernt“ werden. Das Verteidigungsministerium laufe mit solchen Überlegungen Gefahr, „gegen Gesetz und Recht zu verstoßen“, wurde erläutert. Auch das Vertrauensverhältnis des Soldaten zum Staat werde mit solchen Planungen zerstört.
Anders verhält es sich bei der NVA. Die DDR hat kein Berufsbeamtentum. Ihre Offiziere haben Verträge, die gekündigt werden können. Die NVA hat zur Zeit noch etwa 100.000 Mann unter Waffen. Nur 50.000 sollen in die neue Armee Gesamtdeutschlands übernommen werden. Die eine Hälfte davon sind Zeit- und Berufssoldaten, die andere Hälfte Wehrpflichtige.
Die Bundeswehr hatte mit dem sogenannten Personalstrukturgesetz von 1985 die einmalige Möglichkeit zur „Frühpensionierung“ von Offizieren geschaffen, um den vom Aufbau der Streitkräfte noch herrührenden Stau im Offiziersbereich abzubauen. Dies geschah im Wege eines „Angebots auf freiwilliger Basis“ an 1.200 Offiziere, die 70 Prozent ihres letzten Gehalts als Pension zugesprochen erhielten. Es gab Abfindungen bis zu 40 000 Mark. Die Offiziere konnten generell auch einen neuen Beruf ergreifen. „Hier trennten sich Staat und Soldat im gegenseitigen Einvernehmen und damit völlig rechtens“, argumentierte ein Personalfachmann der Hardthöhe.
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