: Wie werde ich Kosmonaut?
■ Besuch im ehemals sozialistischem Freizeit- und Erholungszentrum in der Wuhlheide / Ein Palast nur für Kinder / Raumfahrertraining im Drehsessel
Köpenick. Ronnie ist bei der Bahn. Ebenso wie sein Großvater und sein Vater, der den S-Bahnhof Köpenick leitet. Die Schranken von Ronnies Bahnübergang sind heruntergelassen, und ein Zug mit drei Personenwagen zockelt gemächlich vorbei. Nachdem die Schranken wieder oben sind, gibt Ronnie per Telefon eine Dienstmeldung durch. Bis zu fünfmal die Woche arbeitet er bei der Eisenbahn; Geld gibt es dafür nicht, denn Ronnie ist erst 13. Sein Arbeitsplatz ist die Kindereisenbahn im Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ) in der Köpenicker Wuhlheide - vormals „Pionierpark Ernst Thälmann“.
Prüfungen als Schrankenwärter, Streckenläufer und Zugschaffner hat er bereits bestanden. Bald will er sich als Fahrkartenverkäufer „weiterqualifizieren“. Wenn er einmal Direktor der Reichsbahn geworden ist, will er zunächst „seinen Pflichten“ in diesem Amt nachkommen und vielleicht einige Waggons orange streichen lassen. Daß die Pionierorganisation aufgelöst worden ist, gefällt ihm nicht besonders: „Der Beitrag war nur 10 Pfennig im Monat.“
Hinter Ronnies Bahnübergang führt eine gerade Eichenallee auf die Parkplätze. Dahinter erhebt sich der mächtige (Pionier-)Palast, der mit seiner Holzverkleidung aussieht wie ein ländliches Kongreßzentrum. In einem ebenfalls zu groß geratenen Springbrunnen verlieren sich ein paar planschende Kinder. Drinnen, im Palast, gibt es in der weiten Lobby eine Clownshow. Auch hier ist alles vom Feinsten - man geht über Terracottafliesen und Parkettboden.
Das ehemals sozialistische Kinderparadies ist immer noch attraktiv: Täglich kommen zwei- bis dreitausend Besucher, schätzt Gerald Kirner (62) vom FEZ. In der Ferienzeit gibt es eine Vielzahl von Veranstaltungen wie zum Beispiel die Märchenaufführung Der Teufel mit den drei goldenen Haaren, das Sportprogramm Mit dem BMX-Rad querfeldein oder den Biologiespaziergang Mit offenen Augen durch die Natur. In der Schulzeit, so erzählt Kirner weiter, gibt es über 300 regelmäßige Kurse mit insgesamt 4.000 Teilnehmern. Dazu gehören so unterschiedliche Angebote wie Eisenbahnmodellbau, Reigenschwimmen, der Computerclub „Happy Bit“ oder „Waldhüter I und II“. Der „Klub junger Schützen“ mit Luftgewehrtraining hat übrigens die Wende im FEZ nicht überlebt. Bisher, so berichtet Kirner, habe das DDR -Bildungsministerium den Jahresetat von 17 Millionen Mark bestritten jetzt hofft man in der Wuhlheide auf den Gesamtberliner Senat als Träger.
Eine der Attraktionen im Palast ist das „Kosmonautenzentrum“. Kinder können auf Drehsesseln ihre Schwindelfreiheit testen; in einer fast naturgetreuen Nachbildung eines „Sojus„-Raumschiffes befindet sich ein Fahrradergometer. Raumfahrthelden wie Sigmund Jähn (DDR), Filiptschenko und Kowaljonok (UdSSR) oder - unlängst - Walt Cunningham von Apollo 7 haben sich hier mit Autogrammen verewigt. Fortgeschrittene können in einem a la Raumschiff Orion ausgestatteten Hinterraum Wettersatellitenbilder auswerten, die hier direkt von amerikanischen und sowjetischen Sendern empfangen werden können.
Christian Böhmer
FEZ, An der Wuhlheide, Berlin 1160. Palast geöffnet bis 31.8. täglich ab 9 Uhr 30, Park ebenso, jedoch am Wochenende geschlossen. Danach wieder Schulöffnungszeiten.
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