Wie riecht der liebe Gott?

Ein unterirdischer Selbstversuch mit einem himmlisch duftenden Parfüm

Ich bin der Herr; dein Gott: du sollst dir auf Erden von mir keinen Geruch machen

Wie riecht eigentlich der liebe Gott? Nach Himmel? Oder nach altem Bart? Keinen Schimmer. Wir vernünftigen Menschen hier unten wollen das ja auch gar nicht wissen. Wissen wollte dies aber der Hamburger Pastor Stefan Wollschütz und machte sich auf die Suche nach dem göttlichen Duft.

Der Parfümeur Mane Fils sollte diesen frommen Duft für den Pfarrer und seine Schäfchen kreieren, und siehe da: Er schuf „cygny 35“, benannt nach einem 2.000 Lichtjahre entfernten Stern, der seit Christi Geburt leuchtet. Wenn schon nicht göttlich, so ist der Duft also immerhin jesusverdächtig zu nennen. Das Parfüm riecht nach Passionsfrucht und Weihrauch und kostet irdische 78 Mark. Zu kaufen ist es seit dem 1. Advent im Shop der Evangelischen Kirche St. Petri, mitten auf der Hamburger Konsum-Meile Mönckebergstraße.

Wenn nun der Herr Pfarrer es nicht lassen kann, seinen HErrn zu versuchen, wie sollte dann ein armseliges Schäfchen wie ich der Versuchung widerstehen? So überreiche ich dem Diener der Kirche den Lohn, der mich zum olfaktorischen Messias machen wird. Gleich hinterm Kirchenportal benetze ich meinen sterblichen Leib mit dem himmlischen Öl – Axeln und Nacken kräftig, zwei Schuss fürn Pullover, noch einen Klecks untern Hemdkragen und zwei hinter die Ohren. Wie werden meine Brüder und Schwestern in der U-Bahn auf meinen Jesusduft reagieren? Mich anhimmeln? Was werden die Liebsten zu Hause tun? Mich endlich bemerken? Begrüßen vielleicht sogar?

Mein erster göttlicher Auftritt findet in der U 3 nach Barmbek statt. Noch bin ich nicht sicher, ob der himmlische Duft sich überhaupt gegen die irdische Mischung aus Urin, Büffel, Knoblauch, Tiermehl, abgestandenem Bier und kaltem Tabakqualm behaupten kann, sogar ein wenig Schwefel sticht mir in die Nase. Mir schwant, in diesem Abteil treibt der Antichrist sein Unwesen, er hat meine Anmaßung enttarnt und stinkt nun mit all seiner satanischen Kraft gegen das zarte Ewigkeitsodeur an. Hätte mir auch früher dämmern können, dass der Meister der Unterwelt sich eine solche Herausforderung nicht gefallen lassen kann. Ich höre sofort auf zu atmen und setze mich neben eine ältere Dame. Sie rümpft die Himmelfahrtsnase, und wenn ich mich nicht irre, liegt darin ein Moment von Gottesfurcht. Diese verbietet ihr, die Augen in Richtung meines messianischen Geruchs zu wenden, der Blick streift nur meinen Wollmantel, den ich vor dem Einsteigen siebenfach benetzt habe. Immerhin: ein Achtungserfolg gegen den stinkenden Höllenfürsten.

Trotzdem muss ich wieder raus, die Atemluft wird knapp. Auf dem Weg zur nächsten U-Bahn grüßen mich zwei unbekannte, elegant gekleidete Damen mit „Grüß Gott“, was für Hamburger Ohren mindestens so exotisch klingt wie für die in Schanghai. Später dann, in der U-Bahn Richtung Heimat, dringt aus dem Geraune der Fahrgäste eindeutig das Wort „Hochwürden“ an meine Ohrmuschel. „Der Herr mit Bild-Zeitung hat seinen Nachbarn doch nur gefragt: ,Wie schätzen Sie, Hochwürden, die weiteren Verluste der Daimler-Benz Aktie ein?‘“, stänkert plötzlich eine innere Stimme, auf deren Einflüsterungen ich fortan nicht mehr höre. Das „Hochwürden“ war nämlich ein deutliches Zeichen. Wer fragt so etwas denn sonst seinen Nachbarn in der U-Bahn?

Zu Hause der Beweis. „Oh Gott, wie riechst du denn“, begrüßen mich Groß und Klein meinem Duft angemessen. „Husch in die Wanne, und ordentlich geschrubbt, das ist ja nicht zum aushalten.“ – „Ihr Satansbraten, weichet von mir. Halt! Nicht ins Klo! Das ist der Jesusduft! Neiiin!“ JOACHIM FRISCH