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Wie rechtfertigen wir die drei Millionen Kosten?

■ Rede von Ronald-Mike Neumeyer, Vorsitzender der CDU-Fraktion, seit fünf Jahren Bürgerschaftsabgeordneter

Es gibt das Risiko, daß das Unternehmen, das Land und die leidgeprüften Beschäftigten weiterhin monatelang negativ in den Schlagzeilen bleiben. Es gibt das Risiko, daß der Untersuchungsausschuß nicht mehr aufklärt, als wir bereits in den Medien nachlesen konnten. Dann haben wir uns zu rechtfertigen, was wir dazu beigetragen haben, daß es zu einer fairen ordentlichen Sachaufklärung gekommen ist. Ich weise darauf hin, daß die Staatsanwaltschaft ihrerseits Ermittlungen eingeleitet hat, und ich kann mir gut vorstellen, daß es nicht wenige Manager geben wird, die auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht hinweisen werden. Von daher wird es sehr schwer sein, tatsächlich an die Kernpunkte der Probleme heranzukommen. Und es gibt das Risiko, daß das Personal, das wir so dringend in den Behörden brauchen, um die Beschäftigung für die Zukunft zu sichern, das am Unterweser-Konzept arbeitet, das es in den verschiedensten Facetten gibt, nicht dafür eingesetzt werden kann, dieses Unterweser-Konzept mit Leben zu erfüllen, sondern abgezogen wird, um unseren Fragen zur Verfügung zu stehen.

Wir müssen uns auch die Frage gefallen lassen: Welche politischen Handlungsanweisungen wird es als Ergebnis des Untersuchungsausschusses geben? Eines ist klar, politische Konsequenzen im Sinne von personellen Konsequenzen wird es kaum geben können. Die politisch Verantwortlichen gehören nicht mehr dem Senat an. Vor dem Hintergrund, daß der Untersuchungsausschuß eine Menge Geld kosten wird, müssen wir uns die Fragen stellen: Schaffen wir es, verlorenes Geld zurückzugewinnen? Wie rechtfertigen wir die drei Millionen DM Kosten? Gibt es einen einzigen zusätzlichen Arbeitsplatz, wenn wir diese Aufklärung herbeiführen, oder tragen wir vielleicht am Ende dazu bei, daß es schwieriger wird, Investoren für Bremen und Bremerhaven zu finden, um zusätzliche Arbeitsplätze zu gewinnen?

In der Abwägung von Risiken und Chancen überwiegen die Risiken. Ich sehe hier im Parlament, ich sehe in Bremen keine Sieger am Ende eines solchen Untersuchungsausschusses. Ich sehe allerdings das Risiko, daß es eine Menge Verlierer geben wird, die auf der Strecke bleiben, hier insbesondere die Beschäftigten. Das ist ein Risiko, dem man sich selbstkritisch als Parlamentarier stellen muß. Ich füge hinzu, daß selbstverständlich Aufklärung notwendig ist, aber ich darf noch einmal die Frage stellen, ob Aufklärung immer den richtigen Zeitpunkt findet, ob es nicht klüger gewesen wäre, abzuwarten bis wir eine endgültige dauerhafte Lösung zur Absicherung der Arbeitsplätze gefunden haben und uns dann um die Vergangenheitsbewältigung zu bemühen. Ich glaube, dies wäre richtiger gewesen! Ich weiß, daß AFB und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu einem anderen Ergebnis gekommen sind. Das ist legitim, und wir akzeptieren dies ausdrücklich und werden dazu beitragen, daß wir bei den Risiken und Chancen unseren Beitrag darin sehen, daß die Chancen des Untersuchungsausschusses unterstrichen und ernsthaft herausgearbeitet werden.

Der Untersuchungsausschuß hat sich letztlich auf das bremische Engagement zu konzentrieren, auf die Kernfragen, die bereits mehrfach angesprochen wurden: Wieweit hat Bremen Einfluß auf Konzernentscheidungen genommen? Wieweit hat der Konzern Einfluß auf politische Entscheidungen in Bremen genommen? Treffen etwa Behauptungen zu, daß der ehemalige Bürgermeister Wedemeier die Ablösung des Aufsichtsratsvorsitzenden Scheider veranlaßt hat? Wenn ja, wie konnte das überhaupt geschehen? Der Vulkan-Verbund ist ein Privatunternehmen gewesen, und es gibt, wenn man sich insbesondere die letzte Phase anschaut, keine aktiven Senatoren, die Mitglied im Aufsichtsrat des Vulkan-Verbundes gewesen sind. Schließlich und endlich ist der Vulkan-Verbund keine Staatswerft a la Lenz.

Wenn Sie von der AFB und den GRÜNEN heute staatliches Engagement in Frage stellen beim Vulkan, gleichzeitig aber einfordern, daß der Senat das Unterweserkonzept vorlegen und umsetzen soll, was ist das denn anderes als staatliche Einflußnahme auf ein Privatunternehmen? Diese Frage müssen Sie sich wohl oder übel gefallen lassen. Man kann nicht erst Einsatz fordern und dann am Ende nein sagen. Ich füge hinzu, niemand kann ernsthaft bestreiten, daß es klug und sinnvoll war, daß sich dieses Parlament immer einstimmig war, daß sich dieser Senat besonders engagiert für den Vulkan-Verbund eingesetzt hat, angesichts der Tatsache, daß der Vulkan-Verbund der zweitgrößte Arbeitgeber in der Stadtgemeinde Bremen ist und der größte Arbeitgeber in der Stadtgemeinde Bremerhaven. Es wäre geradezu fahrlässig gewesen, wenn wir uns nicht engagiert hätten.

Lieber Kollege Fücks, es ist ein bißchen kaltschnäuzig, wenn Sie sich heute hier hinstellen und sagen, wir hätten konkrete Bedingungen stellen müssen, hätten Investitionsbedingungen noch am Ende letzten Jahres fordern müssen. Sie wissen genau, die Alternative wäre eine Arbeitslosigkeit in Bremerhaven von 25 % und im Land von 20 % gewesen, mehr als in den neuen Ländern. Ich sage, das ist keine Alternative und deswegen haben die GRÜNEN letzlich doch immer zugestimmt.

Nun ist es, Herr Weber, natürlich legitim, über Beschäftigungspolitik und industriepolitische Instrumente nachzudenken, um Beschäftigung zu sichern. Ich glaube, ich bin überzeugt davon: Wenn wir rechtzeitig in den sechziger Jahren, wie es seinerzeit beispielsweise Baden-Württemberg getan hat, umgesteuert, rechtzeitig auf Innovation und zukunftssichernde Arbeitsplätze gesetzt hätten, wäre das Problem Vulkan heute in der Dimension überhaupt nicht vorhanden, weil wir rechtzeitig Ersatzarbeitsplätze geschaffen hätten; dies ist in Bremen über Jahrzehnte verschlafen worden. Baden-Württemberg ist in den sechziger Jahren in einer Situation gewesen, in der sich Bremen heute befindet. Die Baden-Württemberger haben aufgeholt, weil sie neu strukturiert haben. Sie haben sich auf ihre Stärken konzentriert und umgesteuert. Das kann man, Herr Fücks, nicht in einem halben Jahr alles auf den Weg bringen. Da hätte man vorher anfangen müssen. Sie hatten vier Jahre Zeit, Ihren Beitrag zu leisten. Ich füge allerdings hinzu, es ist besser, Arbeit zu finanzieren, als sehenden Auges Beschäftigte in die Arbeitslosigkeit wandern zu lassen.

Herr Kollege Fücks, das geht dann nicht, wenn man sich auf bestimmte Zeitperioden konzentriert. Das geht nur dann, wenn man sich die Zeit nimmt, alles zu untersuchen. Ich fand es sehr mutig, wie Sie sich als ehemaliges Regierungsmitglied, als Mitglied des Wirtschaftskabinetts, hier vorne hingestellt und es geschafft haben, lange zu reden, ohne die Zeit der Regierungsbeteiligung der GRÜNEN auch nur ansatzweise zu streifen.

Wir wollen in einer Weise zur Aufklärung beitragen, damit Investoren nicht dadurch abgeschreckt werden, daß Bremen sämtliche Interna eines Unternehmens öffentlich auf dem Marktplatz austrägt. Wir glauben, daß Schiffbau in Bremerhaven und Bremen eine Zukunft hat. Wir werden dazu beitragen, die Zukunft der Werften und ihrer Beschäftigten nicht öffentlich zu zerreden.

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