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Wie man's nicht machen soll: Eine Ausstellung über "das Wetter" in Basel

Wetter“ in Basel

Von Christian Gampert

Wie bitte? Das Wetter im Museum? Als Ausstellung? Wer sich an sowas ranwagt, dem muß schon was einfallen. Zu banal, zu vertraut ist jedem von uns die tägliche Konfrontation mit dem Klima, als daß durch reines Sensitivity-Training museumspädagogischer Art nun gleich der große Aha-Effekt zu erreichen wäre. Wir sind abgebrüht: Allabendlich warten wir auf die nonchalanten Überleitungen des Moderators Hanns -Joachim Friedrichs (Und nun das Wetter - so heißt auch die Ausstelung im Basler „Museum für Gestaltung“), selbst den Hurricane Hugo hat jeder von uns zumindest im Fernsehen miterlebt. Vom Ozonloch reden mit ökologisch altklugem Augenaufschlag bereits alle Sextaner, und jeder halbwegs stimmungsheischende Besinnungsaufsatz über ein Film- oder Theaterfestival beginnt mit einem Wetterbericht, und zwar von der 'Faz‘ bis zur taz, am allermeisten aber in der 'Zeit‘.

Was also hat die Ausstellungsmacher umgetrieben? Vom Umgang mit dem Wetter wollten sie erzählen, von der Wetterveränderung, -gestaltung und -beschwörung, die das bloße Sprechen über dieses Thema beinhaltet. Und sprechen können sie ganz gut, besonders ein gewisser Nikolaus Wyss, der in pfiffigen Texten, „Wetter-Bulletins“ genannt, die „Transformationspunkte des Wetters von Natur zur Kultur“ verdeutlicht, Rituale, Kleidung, Architektur als Belege heranzieht und sogar die Weathermen der Fernsehanstalten als moderne Regenmacher entlarvt. Ach, verehrteste Frau Dr.Karla Wege, hätten Sie das gedacht?

Von der Literatur bis zum Ackerbau könnte man nun also die schönsten Themenfelder abschreiten: „Der Held und sein Wetter“ hat schon so manchem den germanistischen Doktortitel eingebracht, und spätestens seit dem Kursbuch 64 wissen wir aus einem Aufsatz Utz Jeggles, daß in den kleinbäuerlichen Wetterregeln eine ganze untergehende Lebensform enthalten ist. Ausstellen aber heißt: zeigen, erfahrbar machen. Es nutzt nichts, siebenundzwanzig Sprüche des Kalibers „Ein trockener April ist nicht des Bauern Will“ aufzuhängen oder „Steigt der Nebel empor, steht Regen bevor“. Es nutzt auch nichts, Unmengen von Büchern auszulegen, die alle das Wetter im Titel führen, oder Kopfhörer mit Wetterliedern (Peter Maffay: Und es war Sommer - o Gott) anzubieten. Genau das aber tut die Basler Ausstellung. Gezeigt wird damit letztlich gar nichts, denn fast alles, was wir sehen, kannten wir schon.

Das Basler Ausstellungsteam hat Entscheidendes gar nicht wahrgenommen: daß das Wetter immer nur Katalysator ist und kein Thema an sich. Interessant ist nicht die einzelne Bauernregel, sondern der Kosmos, der sich dahinter verbirgt

-und den kann man sehr wohl zeigen. Da gehört dann, wegen mir, die windgetriebene, klappernde Vogelscheuche („Klapotex“) genauso hinein wie das „Wetterhäuschen, Appenzell 1860“, das mit einer sich zusammenziehenden und ausehnenden Darmsaite mal ein hölzernes Männle (Schlechtwetter natürlich), mal ein Weiblein (Sonnenschein) ans Tageslicht befördert und somit genauso funktioniert wie ein Hydroskop (ein Luftfeuchtigkeitsmesser).

Obwohl die Ausstellung sich nur an (ziemlich beliebigen) Phänomenen abarbeitet, die sie ins Bewußtsein rücken will, obwohl sie nur aufzählt statt zu assoziieren, sind manche Instellationen wenigstens als Environment-Kunst ganz nett: Gleich zu Beginn betreten wir ein Gewächshaus, in dem wir die Entertainments von TV-Wetterfröschen verschiedenster Nationalität vergleichen können. Gleich danach soll eine Licht-Klang-Installation unsere Sinne für ziehende Wolken, die Geräusche des Regens und den Herbstwind schärfen. Später gibt es eine Abteilung „Das künstliche Wetter“, die uns allen Ernstes vorführt, wie ein Solarium und ein Kühlschrank aussehen. Immerhin habe ich jetzt eine Windmaschine und ein Donnerblech gesehen und weiß nun, wie im Theater Schlechtwetter gemacht wird.

Die Meteorologie nimmt breiten Raum ein. Man kann diese ganze vertrackte wetterkundliche Zeichensprache erlernen und Stratus und Cumulus unterscheiden, unzählige historische Meßinstrumente betrachten - und man erfährt doch herzlich wenig über die soziale Komponente der Klimaforschung. „Am 9.November 1428“, so erfahren wir aus einem Katalog bemerkenswerter Witterungsereignisse, brachen in Basel mehrere Häuser unter der Last des Schnees zusammen“. Na schön, aber was hat das damals „bedeutet“, wie wurde es interpretiert, war es vorhersehbar? Wie haben die Leute versucht, sich zu schützen, wie weit war der Weg bis zu dem weltumspannenden Netz meteorologischer Frühwarnstationen?

Vielleicht hätte die Ausstellung das nachzeichnen können. Wie ein Thermohygrograph funktioniert, kann ich dagegen in jeder Bibliothek nachlesen. Die Ausstellung wuchert bisweilen mit exotischen Fundstücken: Meteoriten, die aussehen wie der Kopf von E.T., „Windkanter“, „durch windbewegten Sand geschliffene Steine“ aus Manila - und daneben dann „Flood Savety Rules“ aus der Versicherungsbranche, Sonnenöl und Erkältungstee, Gummistiefel, Fliegerhaube und Sombrero. Alles nach dem Motto: Inventarisieren Sie Ihr Gedächtnis. Manchmal sieht man, wo ein Ansatz gewesen wäre: Auf einer Vitrine kann man eine kurze Sozialgeschichte des Fächers nachlesen: wie aus einem kühlenden Gebrauchsgegenstand ein Mittel amouröser Zeichensprache wird. Aber auch das ist wieder nur: lesen, lesen, lesen.

Gesehen hat man wenig. Das naheliegendste Thema, nämlich wie das Klima durch Ökonomie den Lebensstandard eines Landes beeinflußt, kommt fast gar nicht vor. Sahelzone und Nordsee, Regenwald und die Schweiz - das gehört ja nicht zufällig zur dritten oder ersten Welt. Statt dessen ein paar ökologische Pflichtübungen, Planken führten über trübes Wasser, darin schwimmen Zeitungsartikel der Machart „Das Weltklima gerät aus den Fugen“, an der Wand sieht man Bilder aus der Wüste und böse Atomkraftwerke. Völlig beliebig das alles. Dazu einige Raritäten: Mitten in der Ausstellung erfährt der Besucher, daß Herr Nicolae Ceausescu auch nicht davor zurückschreckte, die Wetterberichte fälschen zu lassen. Während die Bevölkerung unter schrecklicher Kälte litt, war es unter Ceausescu in Rumänien nie kälter als minus 15 Grad. Darauf muß man erstmal kommen!

Einsamer Höhepunkt aber ist die Abteilung „Air Sickness Bags“. Kotztüten verschiedenster Fluggesellschaften sind dort aufgehängt, „for motion discomfort“, wie die „Delta Airlines“ fachmännisch erläutert. Die eindeutig schönste Kotztüte kommt von der „Turkish Airlines“ (Blauweiß, roter Halbmond und Flügel), die häßlichste von der Lufthansa (typisch: braunes Packpapier). KLM zeigt uns sogar, wo man nach Gebrauch falten muß.

Die Ausstellung im Museum für Gestaltung Basel läuft noch bis zum 12.August, täglich außer montags, ab 12Uhr. Der Katalog zur Ausstellung ist die kostenlose Sammlung aller Wetter-Bulletins.

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