piwik no script img

■ Wie man auf dem Mars die grüne PDS-Distanzierung siehtSeltsame Oppositionstaktik

Erstmals hat die Mars Tribüne zu Jahresbeginn einen Korrespondenten nach Bonn entsandt. Der Kollege aus dem All hat uns seine erste Analyse freundlicherweise zum Nachdruck überlassen:

„Auf den ersten Blick scheint der Alltag dem unseren in fast allem zu gleichen. Es gibt Häuser, Bäume, Computer, Fabriken und Parkplatzprobleme. Die erheblichen kulturellen Unterschiede zwischen der Marsbevölkerung und den Deutschen offenbart erst ein Blick auf die politische Debatte. Sie folgt völlig anderen Regeln als bei uns.

Im nächsten Jahr wird in Deutschland gewählt. Umfragen zeigen bislang die Regierungsparteien unangefochten vorn. Bei uns auf dem Mars würde sich die Opposition darum bemühen, bei einem Thema Profil zu gewinnen, das den Wählern besonders am Herzen liegt. Dafür kämen die Arbeitslosenquote von mehr als zehn Prozent in Frage, eine geplante tiefgreifende Steuerreform, die unsichere Zukunft des Rentensystems oder die vorgesehene Einführung einer neuen grenzüberschreitenden Währung, des sogenannten Euro.

In Bonn spielen diese Themen nur eine untergeordnete Rolle. Die Diskussion der beiden größeren Oppositionsparteien, SPD und Bündnisgrüne, kreist vielmehr um die Frage, mit welchen Worten und in welcher Form einer künftigen Zusammenarbeit mit der kleinsten Oppositionspartei, der PDS, eine Absage erteilt werden soll. Politiker des Regierungslagers haben SPD und Bündnisgrüne zu einem derartigen Versprechen aufgefordert und gleichzeitig erklärt, diesem keinen Glauben schenken zu wollen. Das scheint für die Opposition Ansporn zu immer neuen Zusagen zu sein. Kaum jemand glaubt allerdings, daß diese Frage nach den nächsten Wahlen durch neue Mehrheitsverhältnisse in den Rang konkreter Bedeutung erhoben wird.

Die Debatte bleibt strikt öffentlich. Bei politischen Diskussionen in Restaurants, Kneipen und Wohnzimmern spielen fast ausschließlich Themen eine Rolle wie die, derer sich die Opposition auf dem Mars annehmen würde. Hinweise auf religiöse Tabus oder ein Geheimgesetz, das der Opposition den Entwurf von Konzepten zu derlei Fragen verbietet, gibt es jedoch nicht.

Einen Vorteil hat diese Form des politischen Diskurses. Sie garantiert Kontinuität. Die Stabilität der Regierung wird so nicht gefährdet.“ Bettina Gaus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen