: Wie man Fahrverbote umgeht
In wenigen Minuten und ohne Überprüfung der Angaben bekommt man eine Ausnahmegenehmigung für den Weiterbetrieb eines Schrottautos bei Sommersmog-Alarm ■ Von Annette Jensen
Berlin (taz) – „Ozonbearbeitung hier“ steht an der Stahltür auf der Polizeistation. Mein Vorgänger kommt gerade mit einem Papier wedelnd aus dem Raum. „Ich brauche eine Ausnahmegenehmigung, wenn Ozonalarm ist“, erkläre ich dem Beamten. „Ach, Ozonalarm gibt es dieses Jahr doch bestimmt nicht mehr“, meint der junge Mann hinter dem Schreibtisch und grinst. Aber für alle Fälle – er versteht.
Beim TÜV hatte man mir das Papier verweigert. In dem von mir mitgebrachten Fahrzeugschein ist die Schlüsselnummer 05 eingetragen, also fährt das Auto nicht schadstoffarm genug. Schon 14 Jahre kurvt der rote Schrott-Passat über deutsche Straßen. „Ja, dafür bekommen Sie keine normale Plakette“, bestätigt der Beamte.
Ich lüge ihm vor, daß ich in dem Berliner Vorort Hennigsdorf arbeite. Die öffentlichen Verkehrsverbindungen dorthin seien bekanntlich eine Katastrophe, ohne Auto sei ich über 90 Minuten unterwegs, mit Auto nur 35 Minuten, behaupte ich. Der Mann hat ein Einsehen. Er drückt mir einen zweiseitigen „Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Verkehrsverbot bei hohen Ozonkonzentrationen nach Paragraph 40e Bundesimmissionsschutzgesetz“ in die Hand. „Füllen Sie das aus und machen eine Kopie von dem Fahrzeugschein, dann kommen Sie wieder.“ Auch bei meinem zweiten Besuch bin ich gleich dran. Erst drei Leute waren heute da, erzählt der Beamte. Sein Job ödet ihn sichtlich an. Zwangsversetzt worden sei er für vier Wochen.
Geltungsdauer unbegrenzt, hatte ich gewünscht. „Das geht leider nicht“, sagt er und schreibt den 31. 12. 1996 dorthin. Dann schneidet er einen postkartengroßen Schnipsel aus einem kopierten Blatt Papier aus und trägt das amtliche Kennzeichen und das Ablaufdatum ein. „Ab heute nachmittag gibt es auch offizielle Pappschilder. Aber diese Kopie gilt auch als amtliches Dokument“, erklärt er mir. Nicht mal ein Stempel ist drauf, weder mein Name noch eine bestimmte erlaubte Ausnahmeroute sind vermerkt. Der Stinker, der jetzt bei Sommersmog fahren darf, gehört nicht einmal mir selbst. Im Falle eines Ozon-Verkehrsverbots muß ich die Ausnahmegenehmigung gut sichtbar hinter der Windschutzscheibe anbringen. „Von der Ausnahmegenehmigung darf nur zu dem im Antrag angegebenen Zweck Gebrauch gemacht werden“, steht auf einem Begleitpapier. Wer will das je überprüfen? Meine Begründung verschwindet gerade in einem grauen Aktenordner.
Foto: ap
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