: Wie kämmt man Babykrause?
■ Im Afro-Shop gibt es alles von Rastalocken bis zu getrockneten Schnecken
Von außen sieht der Friseursalon in der Rembertistraße aus wie viele: hellblau verblichene Fotos, vergilbte Gardinen, eine Grünpflanze. Drinnen jedoch eine ganz andere Szenerie: In der Mitte ein einziger Frisierstuhl, darauf eine Schwarze, der die langen Haare zu unzähligen Zöpfchen geflochten werden. An den den Wänden lehnen sechs junge Männer, hören der afrikanischen Kassettenmusik zu. Sie sind jedoch nicht zum Haareschneiden gekommen. Afrikanische Männer können alle selbst Haare schneiden, erklärt Mike Nkansah, Mitbesitzer des Afro-Shops.
Wer Rasta-Zöpfe wünscht, muß sich einen Tag Zeit nehmen und etwa 250 Mark auf die Theke blättern. Wer die Zöpfchen dann noch zu plastischen Schnecken und Schlaufen gezwirbelt haben möchte, muß zwei Tage lang sitzen. Berufstätige nehmen sich für diese Prozedur Urlaub. Rasta-Zöpfe sind begehrt, sagt Nkansah, denn sie verlangen nicht viel Pflege. Natürlich darf man damit nicht jeden Tag unters Wasser. Zwecks Haarwäsche taucht man den ganzen Kopf in eine Schüssel mit Seifenlauge. Schonend behandelt halte die Frisur ein halbes Jahr.
In einer Ecke des Salons stehen drei Trockenhauben - fürs Trocknen der Perücken. Denn viele AfrikanerInnen tragen gern Perücken. „Hier, Janet Jackson“, sagt die Co- Partnerin Nkansahs und zeigt auf ein Illustriertenfoto des Stars mit großen Locken, „auch eine Perücke“. Eher out ist das Glätten der Haare - entsprechende Cremes aber immer noch in dem kleinen vollgepfropften Lädchen neben dem Friseursalon. Dort stapeln sich auch Chemikalien für die Dauerwelle - statt der Kräusellocken wünschen sich viele Frauen große Locken.
In den durchhängenden Regalen finden Bremens schwarze ZuwandererInnen alle Kosmetikartikel, nach denen sie in den sonstigen deutschen Drogerien vergeblich suchen. „Baby Love“ zum Beispiel, eine Creme, die ein schmerzloses Kämmen von Babykrause ermöglicht. Oder die Pflegeprodukte aus Kakaobutter. Dann natürlich auch die „Fade Creme“, die Altersflecken und andere Hautverfärbungen gleichmäßig dunkel einfärbt. „Hierfür zum Beispiel benutze ich das“, Nkansah zeigt eine ganz leichte Aufhellung am Unterarm. Solche Produkte bezieht er vor allem aus England und den USA.
Die bunten Druckstoffe auf der Empore kommen dagegen aus Holland. Die kaufen die Bremer NigerianerInnen und GhanaerInnen vor allem, wenn sie zu Besuch in die Heimat fahren. Oder für Trauerfeiern. Dann kleidet man sich traditionell. Für Hochzeiten allerdings zieht man sich gern „deutsch“ an, erzählt der 48jährige Katholik Nkansah, man trägt also Anzüge.
Selbst für Lebensmittel hat der Kaufmann noch eine Ecke gefunden - gleich hinter der Tür stolpern die KundInnen fast über Kisten mit Kochbananen, Yamwurzeln, und getrockneten Schnecken. Die Schnecken sind eine begehrte Suppeneinlage und halten sich rund 30 Jahre. Im Regal unter den Toilettenbeuteln fanden schließlich auch noch die Beutel mit Mais- und Kartoffelmehl Platz. Und neben der Kasse in einem grauen Karton werden weiße Kalkpropfen feilgeboten - schwangere Frauen kauen sowas gern. Warum? Die Co-Partnerin Nkansahs zuckt die Schultern, es wird halt gekauft. Überhaupt hat sie jetzt genug von all den Fragen an den deutschsprechenden Nkansah. Die mollige Frau schimpft: Entweder er macht jetzt endlich die Rechnungen fertig oder er hilft ihr wenigstens beim Bedienen. Schließlich ist es kein Vergnügen, sich durch den engen Gang zwischen Regalen und Theke nach dem Haarglätter zu tauchen oder auf der hohen Leiter nach den Lockenwicklern unter der Decke zu hangeln. Christine Holch
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