: Wie grün war mein Grübchen
■ „Der Engländer, der auf einen Hügel stieg und von einem Berg herunterkam“
Wales ist eine, wenn nicht die pathetische Gegend Großbritanniens, was sich aus dem zauberhaften Zusammentreffen von Arbeiterkultur, Regionalismus und schöner Landschaft erklärt. Man kennt das schon aus John Fords Bergarbeitermelodram „How green was my valley“ (1941).
Das Tal war sehr grün. Auch in Christopher Mongers Film „Der Engländer, der auf einen Hügel stieg und von einem Berg herunterkam“ ist das Tal sehr grün. Die Landschaft gibt diesem Film seinen besonderen Ton. Es handelt sich nämlich um einen Heimatfilm, mithin um einen Beitrag zu einem Genre, das in Deutschland aus verständlichen Gründen in Verruf geraten und versiegt ist. Man sieht die rauhen, aber herzlichen Leute, die herbe, unverdorbene Landschaft, man wird zum Zeugen eines Konflikts zwischen Stadt- und Landmenschen, man findet sich, kurz gesagt, in „Der Engländer...“ in einem Heimatfilm reinsten Wassers wieder und muß sich, das „Schwarzwaldmädel“ im Sinn, schon sehr wundern, daß einem die Sache nur selten peinlich oder politisch verdächtig vorkommt. Und das, obwohl die heimische Erde, der angestammte Grund und Boden, eine entscheidende Rolle spielen: Die Bewohner von Ffynnon Garw sehen sich nämlich einer beispiellosen Mißachtung ihres Lokalpatriotismus ausgesetzt, als zwei englische Landvermesser ihnen mitteilen, daß der Mount Ffynnon Garw, den sie für ihren Berg hielten, nach britischer Norm nur als Hügel gilt. Die fehlenden sechzehn Fuß zum Gardemaß werden in einer Gemeinschaftsanstrengung aufgeschüttet: Das ganze Dorf packt mit an, während Betty (Tara Fitzgerald) den Landvermesser Reginald Anson ablenkt.
Daß die Sache nicht nur erträglich, sondern über weite Strecken charmant ist, liegt natürlich neben dem Schauplatz auch daran, daß Hugh Grant in der Rolle des Titelhelden, des Landvermessers Reginald Anson, meilenweit vom Muff eines, sagen wir: Rudolf Prack entfernt ist. Es ist schon ziemlich atemberaubend, wie Grant den anerkanntermaßen schönen, aber dennoch Frauen gegenüber leicht linkischen Londoner gibt, der unter Einfluß guter Landluft zarte Zuneigung zu einem einfachen Mädchen faßt. Ein Zucken der berühmten Grübchen, ein beherzter Griff in die Stirnlocke, und schon hast du vergessen, was die Worte blow job und Divine Brown bedeuten (vgl. L.A. Police Departement, Aktenzeichen BK 4454813).
Nicht, daß es in diesem Teil der Welt verklemmt zuginge: Die zentrale Figur des Dorfes, der Kneipenwirt, gespielt von Hollywoods working class hero Colm Meaney, heißt mit Recht „Morgan der Bock“. Er befindet sich seiner Promiskuität wegen in einem Clinch mit dem Pfarrer, der am Ende der gemeinschaftlichen Aufgabe wegen beigelegt wird, ohne daß freilich damit zu rechnen wäre, daß Morgan aufhören wird, die Frauen des Dorfes über die Abwesenheit ihrer Männer (Wir schreiben das Jahr 1917) hinwegzutrösten. Für meinen Geschmack hätte es weniger Gemeinschaftsgeist und etwas mehr von der Provinzlerkomik sein dürfen. Das versöhnende große Gemeinschaftswerk: Das ist, wie wir Dorfeier wissen, ein Städtertraum vom Land. Jörg Lau
„Der Engländer...“ Regie: Christopher Monger. Mit Hugh Grant, Ian McNeice, Tara Fitzgerald. USA 1995
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen