piwik no script img

Wie die Wirtschaftspolitische Gesellschaft abdriftetKeine netten Stammkunden

Foto: Jungsfoto: dpa

Die grölen nicht Ausländer raus, tragen keine Bomberjacken, sind friedlich“, sagt der Geschäftsführer vom „Traditionshaus Lackemann“. Warum sollte er also was dagegen haben, dass die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft (SWG) sein Restaurant am Donnerstag für einen Vortrag von Richard Melisch gemietet hat? Thema: „Quo vadis, USA?“ Das klingt harmlos.

Die Gäste der SWG seien feine Damen und höfliche Herren zwischen 70 und 80 Jahren, „das sind Stammkunden, die trinken Kaffee, essen Kuchen, hören sich irgendeinen Vortrag an“, sagt der Restaurantleiter und schiebt nach: „Ich bin Türke, ich würde doch keine Nazis dulden.“

Aber Melisch ist in der rechten Szene bekannt. Seit Jahren tritt er vor einschlägigen Parteien wie der NDP, vor Vereinigungen oder Burschenschaften als Experte für internationale Politik auf. Sein Buch „Der letzte Akt: Die Kriegserklärung der Globalisierer“ ist 2007 im Hohenrain-Verlag erschienen. Bücher aus diesem rechtsextremistischen Verlag landeten schon mehrfach wegen Volksverhetzung auf dem Index.

Dass die SWG Melisch nun einlädt ist ein Zeichen dafür, wie sich ihre politische Ausrichtung entwickelt. Ihr Gründungsvorsitzender Hugo Wellems war einst Referent im „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda“. Seit mehr als 50 Jahren will die SWG der „alliierten Umerziehung“ und der „68er-Wertezersetzung“ entgegenwirken. Und heute ist ihnen die CDU längst zu links geworden. Ihre politische Hoffnung ist die rechtspopulitische AfD.

Andreas Speit

arbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Bereits vor einem Jahr erklärte das Hamburger „Logenhaus“ die SWG für unerwünscht. Über Jahre war der Verein in dem gediegenen Ambiente eingekehrt. Bis die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck zu einer Veranstaltung kam – danach flog die SWG raus. Der Bitte des „Hamburger Bündnisses gegen Rechts“, die SWG vor die Tür zu setzen, wollte das „Lackemann“ aber nicht nachkommen.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen