Wie die Strahlen auf die Gesundheit wirken: Das bisschen Cäsium

400 Millisievert pro Stunde wurden am Dienstag beim AKW Fukushima I gemessen. Das ist so viel, wie man in Deutschland im ganzen Leben aufnehmen darf.

Diese Tepco-Mitarbeiterin trägt lieber vorsorglich einen Mundschutz. Ob das ausreicht? Bild: dpa

BERLIN taz | Die ersten radioaktiven Substanzen aus dem Katastrophenreaktor Fukushima I sind am Dienstag in Tokio nachgewiesen worden. Man habe geringe Mengen an radioaktivem Jod und Cäsium gemessen, berichtete die japanische Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf die Stadtverwaltung. Die Werte seien jedoch so gering, dass keine gesundheitlichen Schäden zu erwarten seien, heißt es offiziell. Umstritten bei den Strahlenforschern ist jedoch, ob es überhaupt eine untere Grenze für die gesundheitsschädigende Wirkung von radioaktiver Strahlung gibt.

Um die gesundheitsschädliche Wirkung einer radioaktiven Substanz bewerten zu können, kommt es darauf an, welche Art von Strahlen beim Zerfall freigesetzt werden. Alpha- und Beta-Strahler wirken nur auf kurze Distanzen, Gamma-Strahlen hingegen können sogar Bleiplatten durchdringen.

Das bedeutet aber nicht, dass ein Alphastrahler weniger gefährlich ist. Gelangen Alpha- oder Betastrahler zum Beispiel mit der Atemluft oder dem Essen in den Körper und setzt sich in der Lunge oder der Schilddrüse fest, können sie dort Krebs auslösen. Wichtig ist daher auch immer, ob und wo die Radionuklide im Körper abgelagert oder eingebaut werden. Ein einzelner Betastrahler wie etwa das radioaktive Wasserstoffisotop H-3, auch Tritium genannt, als Baustein eines Gens kann dort zum Beispiel zum Krebsauslöser werden.

Um die Strahlenbelastung biologischer Organismen messen zu können, wurde die sogenannte Äquivalentdosis eingeführt, die Maßeinheit dafür ist Sievert (Sv). Bei den Angaben in Sievert ist die biologische Wechselwirkung einer radioaktiven Substanz mit berücksichtigt.

Die normale Strahlenbelastung hängt unter anderem von der Umgebung ab. In Deutschland beträgt dieser Wert etwa zwei bis vier Millisievert (mSv) pro Jahr. Für zusätzliche Belastungen sind Grenzwerte festgelegt worden. In Deutschland soll dieser Wert nicht über ein Millisievert ansteigen. Die beruflich bedingte zusätzliche Belastung ist auf 20 mSv begrenzt. In den USA dürfen es hier sogar 50 mSv sein. Zusätzlich gibt es in Deutschland einen Lebensgrenzwert von 400 Millisievert.

Bei einer Strahlung ab etwa 500 Millisievert können schon innerhalb weniger Tage gesundheitliche Schäden auftreten. Bei einem bis zu sechs Sievert treten relativ schnell Übelkeit und Erbrechen auf, darüber hinaus kommen Kopfschmerzen und Bewusstseinstrübungen hinzu. Dieser Dosisbereich kann aber auch schon tödlich sein. Bei einer Strahlendosis von ein bis zwei Sievert stirbt innerhalb von 30 Tagen etwa jeder zehnte. Ab 15 Sievert gibt es auch bei bester medizinischer Versorgung kaum Überlebenschancen. Die Krankheiten können aber auch erst nach Jahren oder Jahrzehnten auftreten. Ist von der Strahlung die Keimbahn beeinträchtigt, sind von den Folgen auch spätere Generationen betroffen.

Neben dem Block 3 am AKW Fukushima I wurden am Dienstag zeitweise die bisher höchsten Strahlenwerte gemessen: 400 mSv pro Stunde. Dass heißt: schon in wenigen Stunden hätte man dort eine tödliche Dosis abbekommen.

Neben den beiden radioaktiven Isotopen Jod-131 und Cäsium-137 gehören die radioaktiven Edelgase Xenon und Krypton zu den ersten Boten, die bei einem Unfall in einem Atomkraftwerk freigesetzt werden. Während die Edelgase sich schnell verflüchtigen, werden Jod und Cäsium von Tieren oder Pflanzen aufgenommen. Jod stellt auch ein Problem dar, weil es vom Menschen in der Schilddrüse eingelagert wird. Als Schutz dagegen werden Jodtabletten ausgeteilt. Ist in der Schilddrüse ausreichend Jod vorhanden, werden die radioaktiven Isotope nicht abgelagert. Freigesetztes Cäsium-137 mit einer Halbwertzeit von rund 30 Jahren kann noch über viele Jahre mit der Nahrung aufgenommen werden. Es greift die Muskel- und Nervenzellen an.

Ein besonderes Problem ist jedoch das radioaktive und hochgiftige Plutonium in den Atomreaktoren. Das Schwermetall mit einer Halbwertzeit von 24.000 Jahren kommt in der Natur nur in Spuren vor. In Atomreaktoren und auch bei Atombombentests entsteht Plutonium jedoch auch als Nebenprodukt. In Fukushima I war es zudem im Reaktor 3 zusammen mit Uran als Kernbrennstoff eingesetzt worden.

Diese "Mischoxidbrennstoffe", die in einer Wiederaufbereitungsanlage aus abgebrannten Brennstäben gewonnen werden, machen den havarierten Reaktor 3 besonders gefährlich. Nicht nur dass Plutonium mit einer Halbwertzeit von 24.000 Jahren besonders lange in der Umwelt verbleibt. Kommt es mit der Atemluft in die Lunge, können schon kleinste Mengen Krebs auslösen. Gelangt es beispielsweise über Wunden oder die Schleimhäute in den Blutkreislauf, kann es in der Leber oder dem Knochenmark abgelagert werden und dort Leukämie verursachen.

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